Heft 
(1991) 51
Seite
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als Kennzeichen des eigentlichen Erzählers gelten. Der eigentliche Erzäh­ler ist in den seltensten Fällen ein hervorragender Charakteristiker, er gibt das Ereignis als solches und hält sich mit einer intimen Stellung sei­ner Figuren zu dem, was geschieht, nicht sonderlich auf. [...)

Möllhausen ist Erzähler pur sang, und weil er es ist, ist er in einem sel­tenen Grade populär. Er unterhält, er spannt, er befriedigt. Dabei nichts von Frivolität; seine Schriften durchweht vielmehr ein sittlicher Hauch, der wohltuend berührt, erhebt und läutert - (...) '. 30

Unverbrämter als in dieser veröffentlichten Darstellung, die gleichwohl bemer­kenswert treffend und wahrhaftig ist, kommt Fontanes Meinung über Möll­hausen in einem Urteil zum Ausdruck, das in einem Brief an seine Frau vom 23. August 1883 - dem Erscheinungsjahr der Novellensammlung .Der Leucht­turm am Michigan' - enthalten ist und das sich auf die .Kölnische Zeitung' bezieht. Fontane beschreibt dort die politische Tendenz des liberalen Blattes mittels eines Verweises auf Möllhausen:

»Über die Kölnische Zeitung komme ich mehr und mehr zu einem klaren Urtheil. Sie ist durchweg, auch politisch, Möllhausen. Wie mitunter mal eine Novelle von Heyse drin steht, so verirrt sich auch mal politisch was Bedeutenderes hinein - im Ganzen aber ist alles traurig liberale Schwabbelei, Mittelgutsblech, Redensarten-Jahrmarkt." 31

Da klingt die Reserve gegenüber dem Unterhaltungsautor deutlicher an; politi­sche wie ästhetische Unentschiedenheit beschreiben den Vorwurf. Fontane kannte das intime Verhältnis Möllhausens zurKölnischen Zeitung', neun Möllhausen- Romane wurden dort vorabgedruckt. Er selbst las das Blatt eher unregelmäßig. In seiner Einleitung hatte er über die Romane des Autors geschrieben:Ein gro­ßer Teil davon erschien vor seiner Buchpublikation in der .Kölnischen Zeitung', zu deren fleißigsten Mitarbeitern B. Möllhausen bis diesen Augenblick zählt.' 32 In dem zitierten Brief an seine Frau identifiziert Fontane nun das eine mit dem anderen, den Autor mit seinem Hausblatt und umgekehrt - was um so be­merkenswerter ist, als zum Zeitpunkt der Abfassung des Briefes gerade einmal kein Möllhausen-Text das Feuilleton der Zeitung durchlief. 33

III.

Fontanes Beschäftigung mit seinem RomanQuitt" läßt sich seit Mitte der acht­ziger Jahre verfolgen, der Zeit also unmittelbar nach der persönlichen Bekannt­schaft mit Möllhausen und der Auseinandesetzung mit dessen Romanen. Ende März 1885 übermittelte ihm Georg Friedländer den Förster- und Wilddieb-Stoff; mit dem Entwurf begann Fontane am 1. Juni 1885 - amüsanter- und pikanter­weise läßt er seinen Helden Lehnert Menz später an eben diesem Tage sterben! An der Ausarbeitung saß er bis zum 10. Juni. 34 Zu diesem Zeitpunkt muß er sich an Möllhausen und dessen Romane wieder erinnert haben, möglicherweise ver­anlaßt durch den Tod des Prinzen Friedrich Karl am 15. Juni 1885 35 und die Begegnung mit Möllhausen, ein dreiviertel Jahr zuvor, auf Rügen. Am 12. Mai nächsten Jahres, 1886, bot er dem Verlag Kröner eine NovelleQuitt' an, am 163