führt, muß und will sich der „gereifte" Dichter statt mit der angestrebten Qualität mit der fleißig verfertigten Quantität begnügen. Verfolgt wurden anfangs ideelle, geistige Ziele, erreicht werden materielle und gesellschaftliche: eine gesellschaftliche Anerkennung von zweifelhafter Dauer und Gültigkeit . 18 Der hoffnungsvolle Dichterjüngling hat sich im Laufe seiner Karriere durch die Stoffe und verfälschten Ideale seiner literarischen Produktion in ein „geistiges Obrigkeitsverhältnis " 19 hineinbegeben. Wenn K. Richter, bezogen auf den autobiographischen Gehalt des Gedichtes Lebenswege, feststellt, daß die „Absage an die Poesie [...] geradezu als Bedingung des gesellschaftlichen Aufstiegs und Erfolgs" erscheint ,'- 10 so gilt das in zugespitzter Form auch hier. Die Poesie verhalf dem Dichter zwar zum gesellschaftlichen Aufstieg, aber nur um den Preis des Abstiegs von den ursprünglich mit ihr verknüpften Idealen und Ansprüchen. In der öffentlichen Ehrung und Anerkennung glaubt er den höchsten Erfolg erreicht zu haben, obgleich er dafür seine eigentliche Substanz in der gesellschaftlichen Konformität und der Breite der literarischen Masse aufgegeben hat.
Balthasar tröstet sich nach seinen unerquicklichen Erfahrungen mit Minister und Auftragsdichtung damit, daß zwar wieder eine Illusion „hin" ist, die Ideale aber bleiben, 21 , wenn auch nur in Gestalt einer „Beschäftigung, die nie ermattet", wie er mit Schiller formuliert . 22 Für den Königsdichter gelten die umgekehrten Vorzeichen - die Ideale sind hin, die Illusionen bleiben. Hätte Fontane es ihm gestattet, kritisch und aufrichtig über seine Situation nachzudenken, hätte er wohl auch ihn aus Schillers Gedicht zitieren lassen, allerdings eher eine andere Strophe . 23
Wenn Fontanes Dichter aus den Höhenregionen seiner geistigen Vorfahren bereits herabgestiegen ist, den idealisierten erhöhten Aufenthaltsort des Poeten mit den sehr materiell und prosaisch verstandenen vermeintlichen „Höhen der Menschheit" vertauscht und auch Fontane selbst auf die Rhetorik und Metaphorik der hohen Stilebene, die für Dichtergedichte sonst kennzeichnend ist, nicht nur verzichtet, sondern ihr bewußt entgegenwirkt , 24 so bedeutet dies eine dezidierte Distanzierung von der Tradition (und Epigo- nalität) vieler Dichtergedichte und der von ihnen präsentierten Konzeption, die die erheblichen Differenzen zwischen „Dichtergedicht, lyrischer Produktion, Selbstverständnis und biographischer Realität " 25 ignorieren, ja leugnen muß, um nicht sich selbst offen in Frage zu stellen. Diese Gegenposition erweist sich in der Einschätzung des Gegenstandes wie in seiner formalen und sprachlichen Gestaltung, eine Gestaltung, die jedoch ihrerseits durchaus als Anknüpfung gelesen und verstanden sein will, zeigen doch die betonte Unfeierlichkeit, Ironie und „kritischer Lakonismus" des späten Fontane deutliche Spuren seiner Heine-Rezeption . 20
An die Stelle der „steife [n], konventionelle [nj Feierlichkeit " 27 der metrischen Form tritt in Fontanes „Dichtergedicht" das bewegliche und variabel gefüllte Versmaß des Endecasillabo und die Schweifreimstrophe. Der deklamatorische Charakter mit seinem „idealistischen, anspruchsvollen Wortschatz "28 wi rd nur in der ersten Strophe dem Dichteraspiranten zugeordnet. 21