Vers aut 50 Pt.; das kennzeichnet die Stellung der Künste untereinander; die Reimerei, auch die gute, ist immer Aschenbrödel.
Diese (selbst-)kritischen Reflexionen in den Briefen bereiten nicht nur die ironische literarische Gestaltung in den „Dichtergedichten" vor, sondern formulieren bereits Themenaspekte und Schlüsselbegriffe, die ein Jahr später in dem Aufsatz „ Über die gesellschaftliche Stellung der Schrittsteller“ wieder aufgenommen werden. 38 Die unbefriedigende, ja miserable ökonomische und gesellschaftliche Situation des zeitgenössischen „ Tintensklaven ", so legt Fontane dar, hat ihre Ursachen zu einem erheblichen Teile darin, daß man den von der öffentlichen Meinung propagierten Leitsatz, die Stellung eines Schriftstellers hänge von seinen eigenen Anstrengungen und Verdiensten ab, also von Talent, Erfolg, Ruhm, kaum einzulösen bereit ist. Das Publikum steht dem Schriftsteller mit formeller Distanz gegenüber; es reagiert höflich „erfreut", kaum aber aufrichtig „ beglückt und geehrt ". 39 Mit jener reservierten Haltung betrachtet man in der „Furcht vor Indiskretionen" mißtrauisch den vermuteten „Detektivcharakter" des Metiers; 4 0' vor allem aber ist sie begründet in der innersten Überzeugung, Schriftstellerei nicht nur als Kunst nicht gelten lassen zu können, sondern sie eigentlich als nutzlos und überflüssig anzusehen. Im Gegensatz zur Wertschätzung der Bildenden Kunst sind die Schriftsteller in ihrer Stellung durch das „. Aschenbrödeltum“ 4 1 gekennzeichnet Das Rezept, das Fontane schließlich vorschlägt, um dem Ansehen der Schriftsteller aufzuhelfen - „ Verstaatlichung , Eichung, autgeklebter Zettel“ -, erscheint in seinem Zweckoptimismus desillusionierend; vor allem aber scheint es in eklatantem Widerspruch zu der früher ausgesprochenen Überzeugung zu stehen, eine solche Form der Auszeichnung sei eine dürftige Quincaillerie, und ein hervorragender Schriftsteller habe eigentlich „was Besseres" verdient. Im Kontext seiner hier angestellten Überlegungen jedoch bedeutet dieses Prinzip nichts anderes, als das Publikum respektive die Gesellschaft mit den eigenen Waffen zu schlagen. Wenn amtlichen Legitimationsbekundungen, Zeugnissen und Ehrenzeichen in der öffentlichen Meinung eine so große Akzeptanz zuteil wird, dann ist auch das öffentliche Ansehen des Schriftstellers von solchen äußerlichen und formalen Gesten abhängig. Versage das hier eher zögernd und keineswegs mit voller Überzeugung vorgeschlagene Mittel der Etikettierung im doppelten Sinne, so kann es nur das eine bessere geben: „größere Achtung vor uns selber".'' 2
Die Dichtergedichte von 1891, indem sie die zwiespältige Haltung der zeitgenössischen Öffentlichkeit gegenüber Beruf und Stellung des Schriftstellers offenlegen, aber auch diesen selbst zu einer kritischen Überprüfung seines Selbstverständnisses auffordern, kennzeichnen die nicht bloß subjektive Brisanz und Vordringlichkeit einer Thematik, die im Aufsatz in den eindringlichen Appell zur konstruktiven Diskussion des Status quo einmünden. Die „Dichtergedichte' Fontanes nehmen somit in der Form wie in ihrer Aussage auch auf der literarischen Ebene Abschied vom „Dichterfürsten", der im staatlichen und gesellschaftlichen Leben längst stattgefunden hat. 24