Heft 
(1991) 52
Seite
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Vers aut 50 Pt.; das kennzeichnet die Stellung der Künste untereinander; die Reimerei, auch die gute, ist immer Aschenbrödel.

Diese (selbst-)kritischen Reflexionen in den Briefen bereiten nicht nur die ironische literarische Gestaltung in denDichtergedichten" vor, sondern for­mulieren bereits Themenaspekte und Schlüsselbegriffe, die ein Jahr später in dem Aufsatz Über die gesellschaftliche Stellung der Schrittsteller wieder aufgenommen werden. 38 Die unbefriedigende, ja miserable ökonomische und gesellschaftliche Situation des zeitgenössischen Tintensklaven ", so legt Fontane dar, hat ihre Ursachen zu einem erheblichen Teile darin, daß man den von der öffentlichen Meinung propagierten Leitsatz, die Stellung eines Schriftstel­lers hänge von seinen eigenen Anstrengungen und Verdiensten ab, also von Talent, Erfolg, Ruhm, kaum einzulösen bereit ist. Das Publikum steht dem Schriftsteller mit formeller Distanz gegenüber; es reagiert höflicherfreut", kaum aber aufrichtig beglückt und geehrt ". 39 Mit jener reservierten Haltung betrachtet man in derFurcht vor Indiskretionen" mißtrauisch den vermute­tenDetektivcharakter" des Metiers; 4 0' vor allem aber ist sie begründet in der innersten Überzeugung, Schriftstellerei nicht nur als Kunst nicht gelten lassen zu können, sondern sie eigentlich als nutzlos und überflüssig anzu­sehen. Im Gegensatz zur Wertschätzung der Bildenden Kunst sind die Schriftsteller in ihrer Stellung durch das. Aschenbrödeltum 4 1 gekennzeichnet Das Rezept, das Fontane schließlich vorschlägt, um dem Ansehen der Schrift­steller aufzuhelfen - Verstaatlichung , Eichung, autgeklebter Zettel -, er­scheint in seinem Zweckoptimismus desillusionierend; vor allem aber scheint es in eklatantem Widerspruch zu der früher ausgesprochenen Überzeugung zu stehen, eine solche Form der Auszeichnung sei eine dürftige Quincaillerie, und ein hervorragender Schriftsteller habe eigentlichwas Besseres" verdient. Im Kontext seiner hier angestellten Überlegungen jedoch bedeutet dieses Prinzip nichts anderes, als das Publikum respektive die Gesellschaft mit den eigenen Waffen zu schlagen. Wenn amtlichen Legitimationsbekundungen, Zeugnissen und Ehrenzeichen in der öffentlichen Meinung eine so große Akzeptanz zuteil wird, dann ist auch das öffentliche Ansehen des Schriftstel­lers von solchen äußerlichen und formalen Gesten abhängig. Versage das hier eher zögernd und keineswegs mit voller Überzeugung vorgeschlagene Mittel der Etikettierung im doppelten Sinne, so kann es nur das eine bes­sere geben:größere Achtung vor uns selber".'' 2

Die Dichtergedichte von 1891, indem sie die zwiespältige Haltung der zeit­genössischen Öffentlichkeit gegenüber Beruf und Stellung des Schriftstellers offenlegen, aber auch diesen selbst zu einer kritischen Überprüfung seines Selbstverständnisses auffordern, kennzeichnen die nicht bloß subjektive Bri­sanz und Vordringlichkeit einer Thematik, die im Aufsatz in den eindring­lichen Appell zur konstruktiven Diskussion des Status quo einmünden. Die Dichtergedichte' Fontanes nehmen somit in der Form wie in ihrer Aus­sage auch auf der literarischen Ebene Abschied vomDichterfürsten", der im staatlichen und gesellschaftlichen Leben längst stattgefunden hat. 24