Heft 
(1991) 52
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40 Die gesellschaftliche Stellung, S. 492. Vgl. dazu den Brief an Emilie Fon­tane vom 16. Juni 1883: Das kleine bischen Respekt das man einflößt, ist nicht Achtung, sondern Furcht. Der Schriftsteller ist so zu sagen ,Preß- Detective'." (Briefe, hrsg. v. Kurt Schreinert, Bd. 1, S. 203).

41 Die gesellschaftliche Stellung, S. 494. Folgendes Zitat ebda.

42 Die gesellschaftliche Stellung, S. 495.

Gerhard Friedrich, Heidelberg Die Witwe Schmolke

Ein Beitrag zur Interpretation von Fontanes RomanFrau Jenny Treibel"

Von vielen Nebenfiguren in Fontanes Romanen lassen sich Wege ins Zentrum des Werkes eröffnen, und die Interpreten haben diese Möglichkeit wiederholt genutzt, weil sich dabei auch immer Einleuchtendes zu Fontanes Arbeitsweise oder seinen künstlerischen Intentionen oder zur Konzeption seiner Romane sa­gen lief). Um so mehr verwundert es, daß die .Schmolke' aus Fontanes Frau Jenny Treibel bisher keine besondere Würdigung erfuhr. Von den ersten Re­zensionen des Romans an wurde sie zwar gerühmt als ein besonders schönes Beispiel für Fontanes liebevolle Versenkung in Details, als ein Kabinettstück seiner Charakterisierungskunst; aber es gibt auch Interpretationen, in denen jeder Hinweis auf sie fehlt. Das ist verständlich, wenn man an die überragende Rolle Jenny Treibeis im Roman denkt und Fontanes Vorsatz im Auge behält, daß er das Hohle, Phrasenhafte, Lügnerische, Hochmütige, Hartherzige des Bourgeoisstandpunkts ... zeigen" wolle, der von Schiller spricht und Gerson meint." (Ha Br III/601) Eine Heraushebung der Schmolke scheint sich also zu verbieten, und dies um so mehr, als sie im Roman scheinbar nirgends als Handelnde auftritt. Sie dient als Gesprächspartnerin Corinnas, und es ist schwer zu erkennen, ob diese Plaudereien in Corinna etwas bewirken. Ihr eine wichtige Rolle zuzuweisen stößt also auf Schwierigkeiten. An Gegenspielern zu Jenny Treibel herrscht ohnehin kein Mangel. Und die wirkliche Kontrahentin Jennys ist natürlich Corinna, die, nach Fontanes einprägsamer Formulierung, ihre Bettlade ins Treibelsche Haus "trage n" will (NFA VII/130), aber daß sie Gege spielerin auch nach ihrer Haltung und Einstellung ist, läßt sich nicht behaupten. Der Konflikt entzündet sich ja eben daran, daß Corinna unzufrieden ist mit dem, was ihr aus ihrem eigenen Umkreis an Leben, Unterhaltung und Ver­gnügen zuwächst, weshalb sie dem Treibelschen Haus den Vorzug geben will vor ihrem eigenen. Für sie hat das bildungs-bürgerliche Leben einen ganz und gar kleinbürgerlichen Zug. Sie will teilhaben an den Genüssen, die der Reich­tum bietet. Ob sie das alles mit ganz gutem Gewissen will, darf man füglich bezweifeln. Ihr Verhalten läßt zumindest die Frage offen, ob sie in jedem

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