reden' ..." (117) Zwar wird im ersten Kapitel der Name der Schmolke nur noch einmal genannt, aber unter einem sehr beachtenswerten Vorzeichen. Die Kommerzienrätin, die nach einem Vorwand für einen raschen Abschied sucht, hört ihren Kutscher mit der Peitsche knallen und sieht darin ein Mahnzeichen, den Besuch nicht länger auszudehnen, und Schmidt bestärkt sie in ihrer Vorsicht: „,An der guten Laune unserer Umgebung hängt unser Lebensglück; ein Minister bedeutet mir wenig, aber die Schmolke..."' (14) Wie eine Illustration zu diesem Satz wirkt die Szene beim Herrenabend Schmidts, als die Schmolke sich beim Auftragen der Oderkrebse verspätet. Schmidt wagt den kühnen Satz: „Ach dachte schon, alles wäre den Krebsgang gegangen '.' (60) Er bereut seinen Fehler sofort und „war kluger Feldherr genug, durch einige Verbindlichkeiten die Sache wieder auszugleichen. Freilich nur mit halbem Erfolg." Sie tut immer ihr Bestes, niemand zweifelt daran, und so hat sie einen Anspruch darauf, daß jedermann die beim Essen eingetretene Verspätung als eine Verkettung widriger Umstände betrachtet und darüber hinwegsieht. Und wenn kurze Zeit später die Schmolke ihrer Sparsamkeit wegen von Schmidt bloßgestellt werden soll, so ist es der Schmidt-Freund Distelkamp (er besitzt die größte moralische Autorität im Kreise der »Sieben Waisen Griechenlands'), der Schmidt deshalb tadelt. Er sieht darin nur eine Tugend, die mehr und mehr verlorengegangen sei. Das ist die Betrachtungsweise, auf die die Schmolke ein Anrecht hat. Sie erscheint da im hellen Glanz einer Vergangenheit, deren Licht die Gegenwart nur noch sehr unzureichend erleuchtet, und unversehens ist Schmidt auf bedenkliche Weise ein Kind seiner Zeit. Maßstab für die alten Tugenden aber ist die Schmolke, auf der Schmidt seinen Unmut abladen wollte, denn offenbar hat er die Niederlage noch nicht verschmerzt, die ihm am Anfang der Mahlzeit aus seiner Auseinandersetzung mit ihr erwuchs. Schmidt unterliegt an diesem Abend mehrere Male, oft seiner Unbelehrbarkeit wegen. Am auffallendsten zeigt sich das, als er, Egoist von Natur und kaum geneigt, sich in die Empfindungen anderer zu versetzen, Corinna, während sie sich von den Herren verabschiedet, auffordert: „Aber bitte, Corinna, klingle.'“ (63) Obwohl noch erschöpft von dem Treibel-Fest, für das sie vielfältige Vorsätze gefaßt hatte, und verstimmt von der Auseinandersetzung mit Marcell, erteilt sie dem Vater eine Lektion: „Nein, ich gehe lieber selbst, Papa. Die Schmolke läßt sich nicht gerne klingeln; sie hat so ihre Vorstellungen von dem, was sie sich und ihrem Verstorbenen schuldig ist.'" (63) Damit ist auf einen Aspekt verwiesen, der bei der Beurteilung ihrer Lebenswelt von größter Wichtigkeit ist: ihr verstorbener Mann.
Wir erfahren von seiner Rolle in dem zentralen Gespräch, das die Schmolke mit Corinna führt und das seinen Höhepunkt hat in Corinnas Erzählung, wie sie sich mit Leopold Treibel verlobt hat. Nirgends im Roman kommt die Schmolke so ausführlich zu Wort wie hier. Kein anderes Gespräch, das im Roman zwischen zwei Personen geführt wird, nimmt so viel Raum ein wie dieses: das gesamte elfte Kapitel, das auch kompositorisch an herausgehobener Stelle steht. Es leitet das Schlußdrittel des Romans ein. Diese Tatsachen allein schon sollten genügen, dieser Unterhaltung die besondere Aufmerksamkeit des Lesers zu sichern. Es beginnt zudem unter einer Voraussetzung, die es über das Alltägliche
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