Heft 
(1991) 52
Seite
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of the new ..(Alan Bance, Theodor Fontane, The major novels, Cambridge, 1982, S. 141) Die Schmolke aber galt im Hause Schmidt bisher als Fürsprecherin eines treuen Verhaltens. Als Friedeberg zum Abend der .Sieben Waisen' seinen Pudel mitbringt, der ihm aus Anhänglichkeit gefolgt ist, sagt Schmidt von sei­ner Haushälterin: Sie nhat eine Vorliebe für Pudel, und wenn sie nun gar vo seiner Treue hört .. (59) (Übrigens benutzt Schmidt die Gelegenheit, Friede­berg wegen seiner ehelichen Untreue zu bespötteln und bloßzustellen:darin stimme ich meiner guten Schmolke von Herzen bei. Denn die Treue, von der heutzutage jeder red't, wird in Wahrheit immer rarer, und Fips (der Pudel) predigt in seiner Stadtgegend, soviel ich weih, umsonst.'" (59) Das ist zwar dem Gast gegenüber nicht gerade fein, aber auch Fontane konnte sich gelegentlich über das Liebesleben seines Freundes Lepel entrüsten: Er nennt ihn einen Mann, der nie recht wußte, was er wollte, der immer Heimlichkeiten hatte und eine instinktive Vorliebe für unerlaubte, ja strafwürdige Verhältnisse besaß." (Th. Fontane, Briefe III/219, Frankfurt/Berlin, 1971)

So verwundert es nicht, daß die Schmolke nicht auf Dauer CorinnasAbfall" zustimmt. Während diese in ihrer Entschlossenheit und ihrem Trotz verharrt, besinnt sich die Schmolke auf die Grundsätze, nach denen sie gelebt hat. Corinna hat sich zu ihren Berechnungen verleiten lassen durch ihren Hang zum Wohlleben, den sie noch in ihrem Verlobungsgespräch mit Marcell nicht bestreitet. Die Schmolke hat sich zu ihrer Zustimmung verführen lassen durch ihren Haß auf Jenny. Wenige Tage genügen indessen, sie zu ihren alten Einsichten zurückkehren zu lassen:Man soll seinen Mitmenschen nich ärgern, auch wenn man ihn nich leiden kann.'" (151) Klassischer formuliert in der Traurede des alten Pastors Thomas:Liebet euch untereinander, denn der Mensch soll sein Leben nich auf den Haß, sondern auf die Liebe stellen." (151)

Diese Sätze tun ihre Wirkung auf Corinna. Das Gespräch zeigt ihr, wie aus­gehöhlt alle ihre Positionen sind. Ihre Umkehr ist besiegelt; sie umarmt die Schmolke, und diese weiß, daß Corinna auf dem rechten Wege ist. Wenn man sich über die entscheidende Rolle, die die Schmolke bei dieser Peripetie spielt, Klarheit verschaffen will, ist ein Rückblick auf den Anfang des Ge­sprächs notwendig. Dieser Einsatz, dem jeder Leser auf den ersten Blick nur den Charakter der Beiläufigkeit zubilligen wird, ist von ironischer Doppel- bödigkeit. Vordergründig geht es um die Schrulligkeit des alten Schmidt. Was aber steckt dahinter?

Wenn die Schmolke zeigt, wie befremdet sie von des Professors Eigenheit ist, die Kochbirnen zum Semmelpudding mit Schale und dem ganzen Kriepsch mit Kerne" (149) zu essen, so entschuldigt Corinna den Vater damit, daß der Stengel und die grüne Schale das Adstringens, das Zusammenziehende, ent­halten. Die Erfahrung hat Schmidt gelehrt, daß er eines solchen Adstringens durchaus bedarf. Was hier in abgefeimter Weise auf seine Körperlichkeit be­zogen ist und dort seine Wirksamkeit beweist, das fehlt ihm am Ende beim reichlichen Alkoholgenuß. Da gibt es das Adstringens nicht, dessen er bedarf, und er verliert auf eine bedenkliche Weise seine Form. Das Gespräch über 39