das Adstringens ist damit aber nicht ausreichend erläutert. Wenn etwas in Ordnung gebracht und vor Schaden bewahrt werden muß, so ist es vor allem Corinna selber. Sie will den ihr durch Herkunft und Intellekt vorgezeichneten Weg verlassen und um materieller Güter willen eine ihrer unwürdige Liaison eingehen. Niemand hat die Rückbesinnung auf sein eigentliches Ich nötiger als sie. Hat man sich diesen Tatbestand bewußt gemacht, wird die Rolle der Schmolke erst in das richtige Licht gerückt. Wenn nämlich überhaupt irgend jemand, so ist sie es, die Corinna auf den Weg zu sich selbst zurückführt. Nicht ohne Grund wird auf sie verwiesen, wenn Corinna tiefer und tiefer in die Krise gerät und sie weder an ihrem Vater noch an Marcell und noch viel weniger an Leopold eine Stütze hat: „ Sie hatte zum Tröste nichts als die Schmolke, deren gesunde Gegenwart ihr wirklich Wohltat, wenn sie's auch immer noch vermied, mit ihr zu sprechen." (148) Die Schmolke drängt auf Mitteilung. Sie hält nichts davon, Kümmernisse im eigenen Herzen zu bewältigen. Sie glaubt an die heilende Kraft des Gesprächs. Was ausgesprochen ist, kann den Aufschwung der Seele nicht mehr hemmen. Dumpfes Brüten behindert die Aufhellung des Denkens und fördert die Verstocktheit und Verdüsterung der Seele. Das Schweigen entwickelt eine lähmende Kraft, in dem Zweifel und Melancholie sich ausdehnen. Das Gespräch dagegen schafft die Voraussetzung für freie Entscheidungen. Bei aller ihr angeborenen Leichtigkeit des Seins verfällt Corinna einer gewissen Schwere, die die Beweglichkeit ihres Denkens mindert.
„Die gesunde Gegenwart“ der Schmolke, das ist ein Schlüsselbegriff für den Roman. In der Tat läßt sich nicht erkennen, welcher Figur sonst mit so viel Berechtigung „Gesundheit" zugesprochen werden könnte. Auffällig ist vor allem, daß diese Gesundheit nicht einfach der Schmolke zum Vorteil gereicht, sondern etwas Ausstrahlendes ist, das wohltuende Wirkung hat. Die Schmolke ist nicht, wie wir nachgewiesen haben, ein Fels in der Brandung, dafür ist sie dem Allzumenschlichen gelegentlich zu sehr ausgeliefert. Aber es geht von ihr keine Beunruhigung oder Verunsicherung aus, sondern das Bewußtsein gesunder Kraft, die das Vertrauen wachsen läßt, daß man das Leben meistern könne. So kann man der schlichten Frau zwar erklären, was ein Adstringens ist, aber man muß deshalb noch lange nicht verstehen, daß die Schmolke selbst die formbewahrende Eigenschaft eines Adstringens hat. Jetzt ist es Corinna, die die Kochbirnen ungeschält und mit „Kriepsch und Kerne“ hinunterschlucken muß und der „ die Hacheln in die Kehle kommen“ und die sich „ verschlucken" und die sich nun „ ordentlich ins Kreuz“ „kloppen“ lassen muß (149), damit sie ihren Normalzustand zurückgewinnt.
Die Bilderwelt wird im folgenden sehr „stringent" weitergeführt. Corinna beginnt, einen Berg alter Semmeln mit Hilfe des Reibeisens zu zerkleinern. Der Heftigkeit wegen, mit der sie arbeitet, fragt die Schmolke scheinheilig: „,Wen zerreibst du denn eigentlich?'“ (150) Corinna gesteht, daß sich ihr Zorn vor allem gegen sich selber richtet: „Mich zuerst.'" (150) Die Antwort der Schmolke deutet voraus auf den inneren Umschwung: „Das is recht. Denn wenn du nur erst recht zerrieben un recht mürbe bist, dann wirst du wohl 40