tung werden. Er, Schmidt, würde sich schon damit begnügen, wenn ihm Mar- cell, gleichsam als Beweis- und Erinnerungsstück seines Strebens, einen Kopf des Zeus mitbrächte, der einen Platz auf seinem Ofen bekäme. Zeus auf dem Ofen „ als dem einzigen für Zeus noch leeren Platz" (153): nicht gerade ein Ehrenplatz für den Vater der Götter und der Menschen. Der erste der Götter thront nicht mehr auf dem Olymp, sondern auf dem Ofen eines deutschen Altphilologen. Damit wären die „Sieben Waisen Griechenlands' wahrhaft Waisen, von allen guten Göttern und Geistern verlassen, und was als Selbstironie gemeint war, enthüllt sich als eigentliche Wirklichkeit. Das Haupt des Zeus auf einem germanischen Ofen in Berlin. Deutet sich damit schon ein Absturz in die niederen Sphären des Alltags an, so wird dies noch offenbarer, wenn die großen Bildungsziele plötzlich sozial gefaßt werden: als nächste Etappen werden der Privatdozent oder der Extraordinarius genannt, und es ist mehr als zweifelhaft, daß dies die Ziele sind, an die Pindar und seine Nachfolger gedacht haben. Wie hier bürgerliches Bildungsdenken mit der Erwartung einer bürgerlichen Karriere und der mit ihr wenigstens teilweise verbundenen Wohlhabenheit verknüpft wird, das hat in der Tat Enthüllungscharakter. Aber dabei bleibt es nicht.
Es ist die Schmolke, die diesem Gerede von wissenschaftlichen Kreuzzügen ihre eigenen Erfahrungen entgegenstellt. Der Gedankenakrobatik Schmidts, der von Marcells und Corinnas Zukunft auf den Höhen der Wissenschaft träumt („die Schliemann ist auch immer dabei" 159), stellt sie ihr schlichtes Lebensbekenntnis entgegen. Sie hat zu viele Menschen sich abstrampeln und sich abmühen sehen, hat bemerkt, wie sie gegen ihre Natur angekämpft haben und ihren kühnsten Phantasien nachjagten wie, auf seiner Ebene, der arme Leopold, aber am Ende hat sich nur immer wieder bestätigt: „,er hat sich ja nich selber gemacht, un der Mensch is am Ende wie er is. Nein Corinna, nu wollen wir ernsthaft werden.'“ (159) In der Realität liegt immer auch die Beschränkung, der Welt der Ideale steht die Wirklichkeit gegenüber, in der es sich zu bewähren gilt: „ der Mensch is am Ende wie er is"; das ist das Leben in seiner natürlichen Enge, seiner selbstverständlichen Begrenztheit und der Widrigkeit aller seiner Umstände. Und das ist nicht eine niedere Schmolkewelt, es ist die Welt, wie sie sich dem gesunden, aufs Praktische gerichteten Menschenverstand tagtäglich präsentiert. Wir deuteten es schon an: der alte Professor am Ausgang des Romans „is am Ende wie er is.“
Es ist ein Satz von beeindruckender resignativer Kraft. Er könnte am Ende des Romans stehen, denn er trifft in bemerkenswerter Weise auf die Menschen zu, die hier agieren. Unter ihnen ist keiner, dem Pindars Satz in die Seele geschrieben wäre. Sie sind alle längst mit der gemeinen Wirklichkeit Kompromisse eingegangen. Die Unbedingtheit ihres Strebens, der Absolutheitsanspruch, der ihr Denken und Handeln auszeichnete, ist längst verlorengegangen. Sie haben sich, in ihren besten Vertretern, abgefunden mit dem, was Goethe seinem Wilhelm Meister als den adäquaten Weg wies: er tut gut daran, sich einer der Gesellschaft nützlichen Tätigkeit zu verschreiben, sich in die Gemeinschaft mit andern zu schicken, kurz, sich zu beschränken. Mag
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