echt; sie hat Herz und gesunden Menschenverstand, zupackende Energie und die Fähigkeit zum Mitgefühl. Was soll da die Selbstironie? Die bewundern wir an Wilibald Schmidt und Dubslav von Stechlin; sie ist ein erlesenes Spiel des Geistes. Aber warum sollte die Schmolke spielen?
Was die Schmolke allerdings erst zur runden Figur macht, ist, daß sie nicht einfach in purem Altruismus aufgeht und als Hausheilige erscheint, sondern eine Fülle von Eigenschaften und Eigenheiten aufweist, die ihrem Charakter erst wirkliche Dichte geben. Viele Züge streifen dabei das Komische. So bekennt sie sich „ grundsätzlich nie zur Unvertrautheit mit Fremdwörtern (153) Einen solchen Mangel ohne Not einzugestehen, scheint ihr offenbar mit ihrer Würde nicht vereinbar. Sie geht wohl davon aus, daß, wer im Hause eines Professors arbeitet, notwendigerweise verstehen müsse, was gesagt wird. So vertritt sie als Person entschieden ihre Meinung und hält mit ihrem Urteil nie zurück, selbst wenn es ihren Liebling Corinna betrifft, der sie bescheinigt, Marcell und Leopold gegenüber ,schauderöse gehandelt" zu haben (159), was Corinna übrigens auch nicht bestreitet. Angesichts dieser Umstände mag es den heutigen Leser vielleicht ein wenig verwundern, daß die Schmolke beim Hochzeitsfest fehlt. Sie ist seit frühester Kindheit Corinnas deren Vertraute, Ratgeberin und auch Erzieherin und bleibt doch ausgeschlossen, während selbst „die Honig und die Wulsten... aut Corinnas dringenden Wunsch eingeladen worden" waren. (163) Offenbar hat Fontane ihr Erscheinen beim Fest noch nicht einmal erwogen. Ein Beweis dafür, wie festgefügt die gesellschaftliche Welt zu dieser Zeit war. Mag der Professor auch dagegen protestieren, daß die Schmolke sich als Dienerin bezeichnet, im Ernst spricht sie nur aus, was auch Schmidt empfindet: die Schmolke gehört, ungeachtet ihrer völligen Ausnahmestellung, nicht in den „illustren" Kreis. Wie unangefochten ihre Stellung in der Familie auch ist, wie sehr man sie um ihrer Verdienste willen auch respektiert, als bloß dienstbarer Geist, der beschränkt ist auf Küche und Haus, verbietet sich ihre Anwesenheit. Ob sie das als ungerecht empfindet, ob es sie schmerzt? So wie Fontane die Figur angelegt hat, ist das kaum denkbar. Sie ißt nicht an des Professors Tisch, was ihr selbstverständlich ist. Wie sollte sie Anstoß nehmen, wenn sie zur Hochzeitsfeier nicht eingeladen ist? Oder ist ihr Fehlen ein Fingerknips Fontanes gegen die Gesellschaft, die solche Unterscheidungen für angemessen hält? Sicher auch das nicht. Er ist ein Kind seiner Zeit wie die Schmolke. Wenn Schmidt auch im eigenen Haus in Angst vor ihrer schlechten Laune leben mag, weil sie ihm die Annehmlichkeiten seines Daseins verkürzt, im gesellschaftlichen Raum ist ganz selbstverständlich: die Schmolke bleibt vor der Tür. 46