Heft 
(1991) 52
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der Redaktion der Zeitschrift Nord und Süd vor und sollte, so nahm er an, in weiteren fünf Wochen im April-Heft erscheinen. Zwar war er bitter ent­täuscht (Durfte man damals wirklich mit solcher Schnelligkeit in der Veröffent­lichung rechnen?), als man ihm mitteilte, vor dem Mai-Heft könne seine No­velle nicht, sondern vorerst müsse die eines anderen erscheinen 6 . Das Maß seiner Ungeduld kann man daran messen, daß die Fahnenkorrektur erst am 28. März fertig war 7 . Doch diese Ungeduld bestätigt nur die Annahme, daß er Ende Februar aufgeregt genug war, um der Versuchung nicht widerstehen zu können, jenen Menschen anzustoßen, der ihm - unbewußt - Entscheidungs­hilfe geleistet hatte, diese Novelle zu diesem Zeitpunkt zu schreiben. Und schließlich ruhten auf ihr seine ganzen Hoffnungen, seiner Schriftstellerkar­riere eine bessere Wendung zu geben.

Wenn es also stimmt, daß Fontane an jenem Februar-Sonntag 1879 darauf hoffte, sein bald erscheinendes Werk würde ihm den Weg zum Erfolg als Erzähler bahnen, dann reicht das vollkommen, um sein unpassendes Verhalten zu begründen. Doch um den Beweis dafür zu erbringen, müssen wir die Kri­sensituation in seinem Leben erläutern und dann auf die Behauptung eingehen, die »Räuber-Fehde' habe überhaupt den Anstoß gegeben, aus der angelegten Stoffsammlung ausgerechnet Grete Minde als erstes auszuwählen.

2. Der Karriereknick und seine Wende

Freie Schriftsteller haben es nie leicht gehabt. Entweder mußten sie voll und ganz um ihr Publikum werben, also auf jeden diesem Werben widersprechen­den Ehrgeiz weitgehend verzichten, oder, bei gleichzeitigem Hinweis auf hö­here Werte, sich wenigstens teilweise mit dem öffentlich unterstützten Kultur­betrieb liieren. Bisher hatte Fontane letztere Taktik recht erfolgreich angewandt, wobei seine Frau ihn allerdings am liebsten in einer Beamtenstelle gesehen hätte. Die Beamtenstelle war Mitte der siebziger Jahre schon deswegen ein Thema geworden, weil Fontane mit seinen großen Büchern über den Deutsch- Französischen Krieg viel zu wenig um die Gunst des offiziellen wie auch des breiten Publikums geworben hatte. Viel zu stark hatten eigene Einsicht und überzeitliche Wertvorstellungen sein Schreiben beeinflußt. Zwar hat er damit erreicht, daß sein Buch sich - eigentlich erst in unserer Zeit - unter Wissen­schaftlern behaupten kann, aber die erhofften Belohnungen für seine jahrelange Arbeit entfielen dadurch. So gesehen sieht seine Bereitschaft, im Frühjahr 1876 den Sekretärsposten bei der Akademie der Künste zu übernehmen, wie sein privater Canossagang aus. Hätte er sich mit den Arbeitsbedingungen dort ab­gefunden, so könnte man von der Resignation eines Schriftstellers sprechen. Doch stattdessenresignierte" der frischgebackene Beamte, gab die Stelle bald wieder zurück, schnallte den Gürtel enger und versuchte, mit dem lange geheg­ten Plan eines vaterländischen Romans, der Vor dem Sturm heißen sollte, den Erfolg und die Anerkennung als Schriftsteller zu verdienen, die ihm als halb­offizieller Berichterstatter eine innere Unmöglichkeit geworden war.

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