Heft 
(1991) 52
Seite
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Ja, wo war er denn vom »richtigen' Weg abgekommen? Hatte es nicht damit angefangen, daß er wie sein Sturm-Held, Lewin von Vitzewitz, in französische Gefangenschaft geraten war? Und hatte die Reihe der publikumsstörenden Eigenwilligkeiten nicht ausgerechnet mit jener Rezension von Der Gefangene von Metz, jenem hurrapatriotischen, den Feind lächerlich machenden Stück von Karl Gutzkow angefangen 8 ? War dieser nicht damals so erbost, daß er ver­langte, auf die Rezension eine Erwiderung veröffentlichen zu dürfen, ohne diese allerdings jemals abgeliefert zu haben? Im Sommer 1878 war für Fontane das Kapitel Gutzkow, das vielleicht als Fehde mehr Beachtung verdient, als ihm bisher zuteil wurde, noch nicht abgeschlossen.

War es dann Sentimentalität, war es Zufall, daß Fontane sich zur Hundert­jahresfeier der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 selbständig machte? Jedenfalls schien die erste Schlacht in seinem Unabhängig­keitskampf, sein Roman Vor dem Sturm, der seit dem 1. 1. 1878 in Fortsetzun­gen in der Leipziger Zeitschrift Daheim erschien, schon vor der letzten Fort­setzung im April-Heft verloren. Das liebevoll und fleißig ausgeführte Werk über den preußischen Aufstand im Winter 1812 auf 13 gegen die napoleonische Herrschaft kam beim Publikum nicht recht an und mußte bald mit der deutschen Übersetzung von Tolstois Krieg und Frieden konkurrieren.

Wie war Fontane zumute im Frühling 1878? Sicher kam bei ihm der Verdacht auf, alles falsch gemacht zu haben. Selbst bei der Rezensionsfrage hat er sich kräftig eingemischt, aber wenn ihm niemand so recht die Meinung zu sagen wagte - denn einem führenden Zeitungskritiker begegnete man auch damals mit vorsichtigem Respekt -, so unterdrückte er nicht die Feststellung, solche Besprechungen würden ihm keine Bücher verkaufen. Und darin hatte er ganz recht, denn selbst der Redakteur, von dem er sich für die Zukunft das meiste erhoffte, Julius Rodenberg von der Deutschen Rundschau, vertraute - Fon­tane natürlich unbekannt - seinem Tagebuch eine Aversion gegen solch lang­weilige Lektüre an. Vom Daheim-Redakteur Koenig vernahm er den schwachen Trost, .daß es, wenn alles wie der Schlußband wäre, ein ,Durchschläger' ge­worden sein würde ." 9 Später, als Fontane sein Tagebuch auf den neuesten Stand brachte, erinnerte er sich noch deutlich an dieses .neue Wort' 10 . Ja, das Tagebuch enthält herzlich wenig über seine schriftstellerischen Projekte in die­sen Monaten, eigentlich nur Koenigs .Durchschläger"- Bemerkung und den ein­geklebten Handzettel von der oben erwähnten Gedächtnisfeier. Selbst wenn es veröffentlicht würde, müßte man ein Detektiv sein, um handfeste Auskünfte aus ihm herauszubekommen.

Den Hintergrund des Handzettels aufzuklären, wird viel Raum kosten. Was die einzige klare Stellungnahme Koenigs angeht, so wird dem Militärschrift­steller Fontane bei Durchschläger' vielleicht »Querschläger" oder »Durchschuß' eingefallen sein. Wahrscheinlich hat er jedoch eher über die Implikationen nachgedacht, anstatt schulmeisterlich an dem Modeausdruck herumzukritteln. Vielmehr begriff er den »blutigen Ernst' dahinter, nämlich daß er bald einen durchschlagenden Erfolg erzielen, daß er nächstes Mal das Unterhaltungsbe­dürfnis seiner Leser besser befriedigen mußte. Diese Forderung blieb für ihn 50