Heft 
(1991) 52
Seite
63
Einzelbild herunterladen

sich deswegen verschätzt hat, weil er demnächst eine radikale Umarbeitung nach jenemepischen Stilgesetz" vornehmen wird, das er zuerst alsreine Quackelei" abgetan hatte? Oder redet er seinem Verleger nach dem Mund, wäh­rend seine Praxis bereits anders aussieht? Um seine Kehrtwendung besser be­greifen zu können, ist es nicht unwichtig, daß diese Kritik aus der Feder eines Rezensenten kommt, den er sonst schätzt, dem er auch schon einmal recht freundlich begegnet ist. Eigentlich reagiert er auf Zabels Belehrungen wie die Theaterleute, die aus seinen InitialenTheater Fremdling" herauslesen. Also was oder wer hat ihn bekehrt? War es der Tenor aller Rezensionen zusam­men? War es vielleicht Emilie, dieimmer dem Gegner sekundierte"?

Zwei Wochen später schreibt er an Rodenberg, Redakteur der Deutschen Rund­schau, wo er gern veröffentlichen möchte:

Sie lösen die Gentleman-Aulgabe, wohltuend zu loben und zu tadeln (jenes ebenso schwer wie dieses) [...]Wir vermissen nicht den äußren Zusammenhang, wohl aber fehlt zuweilen der organische, der künstleri­sche" - durch diese wenigen Worte haben Sie mich in meinem bisherigen Widerstande besiegt. Denn im Vertrauen gesagt, ich nahm bis dahin das Schwach in der Komposition ' für eine bloße Schablonenbemerkung; selbst Heyse, auf den ich begreiflicherweise viel gebe, hatte mich nicht bekehren können. Ihnen ist es geglückt. [...): eine bessere, wahrere Zeit bricht auch in literarischen Dingen an. Viel werd ich davon nicht mehr sehn; aber es ist schon ein Vorzug, in dem Glauben an sie sein Tagewerk beschließen zu können. 33

Nun muß man von den Briefen an Rodenberg wegen der beabsichtigten Werbe­wirkung ein paar Striche abziehen, aber Fontane steht hier wirklich noch unter einem Gutzkow-Schock und ist daher geneigt, sich von seinen Kritikern beleh­ren zu lassen.

Rodenberg hat aber auch gerade einen Nachruf auf Gutzkow in der Rund­schau veröffentlicht und wird am 22. Februar im Schriftstellerverein die Nach­rede halen. Unversehens finden wir uns wieder am Ausgangspunkt, wo Fon­tane bei Gutzkows Totenfeier dem Impuls nachgab, Schauspieler Ludwig an alte Diskussionen zu erinnern. Zu den bedeutendsten Kritikern hatte Karl Gutzkow gehört; allein die Vorahnung von dessen Kritik hatte Fontane kurze Zeit davor noch ängstigen können, wie eine Stelle an Hertz vom 6. Dezember 1878 verrät:

DasG." der Augsburgerin kann nur Gutzkow sein, mein geschworner Feind. Und ich kann es ihm nicht verdenken, denn ich habe ihn schwer gekränkt. Er wird sich revanchiren. (...] So bin ich denn auf Abschlachten gefaßt. Ist es sehr schlimm, so les' ich es jetzt, wo ich inmitten einer Novelle stecke, und zwar an der wichtigsten Stelle, lieber nich t.3 4

Schon als er Ende April 78 die Aufführung von Schillers Räuber verriß, hatte er sich dabei auf Gutzkows Kritik am Klassikerkult berufen.

63