gierung von Todestrieb und Eros' geschuldet, läßt sie nicht eher ruhen, bis sie mit der von Alfred eingefädelten .neuen" Ehe den alten Zustand wieder hergestellt hat. Das zweite „Ja' der Christine Holk ist ihr „Ja" zum Tode (symbolisiert im Traum vom Hochzeits- als Trauerzug). Um die Bestrafung durch die „große Elternmacht des Schicksals" zu provozieren, „muß der Masochist das Unzweckmäßige tun, gegen seinen eigenen Vorteil arbeiten, die Aussichten zerstören, die sich ihm in der realen Welt eröffnen, und eventuell seine eigene reale Existenz vernichten." 57 Ersehnte Bestrafung und Erlösung ist die Heimkehr ins vereinigende präödipale Element; der Triumph des Todes ermöglicht einen Sieg des Eros, der das Sexuelle weit hinter sich läßt. „So wird der moralische Masochismus zum klassischen Zeugen für die Existenz der Triebvermischung. Seine Gefährlichkeit rührt daher, daß er vom Todestrieb abstammt... Aber da er andererseits die Bedeutung einer erotischen Komponente hat, kann auch die Selbstzerstörung der Person nicht ohne libidinöse Befriedigung erfolgen."
„Ich wollte der Stelle nahe sein, wo es liegt." (S. 10) - Estrid, der Mignon von Holkenäs.
Ein starkes Indiz für die bereits vor dem Einsetzen der Handlung auf Holkenäs stattgehabte „Katastrophe' und für die These, daß Fontane diese in die heimliche Feier eines Vereinigungsmythos umwertet - ist sein listiges Operieren mit den Namen des verstorbenen dritten Kindes der Holks. Wir erinnern uns, schon Astas und Elisabeths Besuch „der Stelle wo es liegt ' brachte Gespenstisches ans helle Licht des Tages. „Leider ist ,Estrid' ein weiblicher Name", konstatiert Jorgensen, damit ältere „Vorwürfe" ungeprüft übernehmend. 58 Es ist jedoch mehr als wahrscheinlich 59 , daß Fontane diese für den deutschen Leser nicht leicht aus der Namensform erschließbare Tatsache bewußt ins Kalkül zog, um auf wahrhaft „kryptische" Weise etwas Genaueres darüber mitzuteilen, warum der Tod des Kindes „das schöne und jugendliche Paar einander nur noch näher geführt ' hatte (S. 8). Verbirgt sich hinter der glatten und psychologisch so eingängigen Formulierung ein weiterer verbergenswer- ter Umstand? Was stimmte nicht mit diesem Knaben, dem ein Mädchenname gegeben wurde? Zieht man den gegen der Mutter Willen vom Vater durchgesetzten zweiten Namen hinzu, so blickt man wieder einmal in die Brunnentiefe des Mythos. Adam, der „erste Gefallene" (Klopstock), der in der „Kryptomythologie der Epoche ein Leitmotiv ist" 69 , spielt auch in Fontanes Gesamtwerk eine gewichtige Rolle. Dabei besticht in „Unwiederbringlich die virtuose Handhabung des dem Namen eigenen Bedeutungs-Spektrums. Zunächst ist es „Adams Fluch", der über Holkenäs liegt, der Fluch der „Erbsünde" und ihrer Folgen, der Todesverfallenheit des Menschen, des ewigen Zorns Gottes und der Herrschaft des Teufels. 61 Darüber hinaus gewinnt der im Vornamen „Estrid" schon angedeutete mignonhafte Hermaphroditismus des Kindes in „Adam" eine mythologische Fundierung. Auch den biblischen Urvater stellte man sich als „Zwitter oder zweigeschlechtliches Urwesen vor'. 63
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