Heft 
(1991) 52
Seite
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Dichter Theodor Fontane, dem Sänger des lieblichen Liedes ,Von der schönen Rosamunde', sei diese Erzählung, als Zeichen freudiger Anerkennung, ge­widmet durch den Übersetzer.') Zur Widmung äußerte sich Fontane außer in dem zitierten Brief - wobei Gragger der leise Anflug von melancholischer Ironie (.was sich auf dem schönen weißen Papier sehr hübsch ausnimmt. ..') entgangen sein muß - auf ähnliche Weise auch in einem anderen Brief: .Hab ich Ihnen denn schon geschrieben, daß ein Ungar namens Kertbeny mir eins seiner Bücher gewidmet hat? Was man nicht alles erlebt.' 3 In keinem der Briefe gibt sich Fontane als Bekannter Kertbenys zu erkennen.

Zu dieser Frage äußert sich auch Gotthard Erler betont vorsichtig (»soll (...] auch mit Fontane zusammengetroffen sein"' 1 ), räumt zugleich aber auch ein, kein Brief Fontanes an Kertbeny sei bekannt, wenn auch »ein Brief vom 19. April 1851 [...) laut Stargardt-Auktionskatalog Nr. 316 verkauft' 5 wurde. Wir wollen nicht nur auf die hierbei sich zeigenden Folgen des Graggerschen Artikels hinweisen - dem Erler, der sich ja auf Spezialforschungen stützen mußte, die notwendige Skepsis entgegenbrachte sondern auch anmerken, daß selbst jener verschollene Brief an Kertbeny doch ein etwas dürftiger Be­weis für eine Bekanntschaft wäre, die laut Gragger intensiv gewesen sein müßte. Daß Fontane zumindest einmal an Kertbeny geschrieben hat - um sich nämlich für das Buch zu bedanken -, können wir annehmen, jedoch nicht belegen.

Im Anhang der von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger herausgegebenen .Graf Petöfy"- Ausgabe wird ebenfalls mit der notwendigen Skepsis auf Grag- ger hingewiesen: »Fontane ist offenbar durch [.. .] Kertbeny [...] in die ungarische Literatur und Geschichte eingeführt worden.' 6 Wieweit Fontane in seinem Leben die ungarische Literatur und Geschichte überhaupt kennen­gelernt hat, ist eine Frage für sich, doch daß er nicht von Kertbeny »einge­führt' worden ist, können wir - trotz des Graggerschen Wunschdenkens mit Sicherheit annehmen.

Was Aranys Einfluß anbelangt, formulieren auch Erler, ebenso wie Keitel und Nürnberger, zu recht vorsichtig: »Wie weit sich Fontane von Arany sti­muliert fühlte, ist schwer zu sagen.' 7

Man mag sich fragen, warum Gragger gerade Arany ins Spiel bringt. Einer­seits weil Fontane die Arany-Übersetzung Kertbenys erhalten hatte und an­dererseits wegen der Namensgebung der Gestalt des alten Toldy im »Graf Petöfy'; denn die Hauptgestalt des auch heute noch populärsten epischen Ge­dichts von Arany heißt Miklos Toldi. Dies mag Gragger bewogen haben, seine These von der genaueren Kenntnis des Aranyschen Werkes durch Fontane nicht nur zu vertreten, sondern in seinem Artikel auch immer weiter auszu­bauen. Allerdings - und das mußte Gragger bekannt sein - ist nicht gesagt, daß Fontane den Namen »seines' Toldy aus dem Aranyschen Werk bezog, denn es gab aus der Feder des aus einer ungarndeutschen Bürgerfamilie stammenden, sich nur zu Ungarn bekennenden Literaturhistorikers und -theoreten Ferenz Toldy (eigentlich Franz Schedel) eine Art literaturhistori- 94