Der gefangene Storch (1849).*
Dort im Hof am Brunnensteine,
Steht ein Storch auf einem Beine;
Möchte gerne aufwärts dringen.
In die Leere, über Meere, -
Doch gestutzt sind ihm die Schwingen!
Und er grübelt im Verdrusse;
Langweilt's ihn auf einem Fuße,
Setzt das ander Bein er nieder;
Macht dies rüde ihn und müde - Nun, so wechselt er dann wieder!
Und er bog den Hals zur Seite;
Schaute gerne in die Weite,
Doch vier Wände sie verbauen.
Nichts d'rum eben nützt dies Streben, - Nicht durch Mauern kann man schauen!
Doch zum Himmel könnt' er blicken?
Ach das würde erst sich schicken!
Freie Störche dort gemeinsam Ohne Weilen heimwärts eilen, - Er nur bleibt zurück so einsam!
Immer harrt er, daß ihm wieder Wachsen werde das Gefieder,
Um zum Himmel, den er schauet.
Aufzufliegen, sich zu wiegen Wo der Freiheit Heimat blauet!
Herbstlich wird's im gelben Sande,
Keinen Storch gibt's mehr im Lande,
Einen nur, ihn, der voll Trauer Und voll Bangen hier gefangen Schmachtet wie im engen Bauer!
Nur zurück sind noch die Reiher,
Sie auch zieh'n nun weg vom Weiher;
Auf nicht blickt er, doch er hört sie Oben ziehen, - wie sie fliehen, - Und wie ziehen ungestört sie!
Oft versucht er zu erproben.
Ob's nicht ginge doch nach oben?
Ei, wie sollte dies Begehren Nicht gelingen? — wenn die Schwingen Nur so arg gestutzt nicht wären!
Armer Vogel, armer Narr du!
* (Fußnote Gragger dazu: Gedichte von Johann Arany. Nach dem Ungarischen von K. M. Kertbeny. Genf 1861 .)
96