Ballade gelernt hat. Wir dürfen es um so mehr, weil Fontane in späteren Jahren neben Arany auch Szekler Volksballaden studiert und eine sogar nachgedichtet hat."
Fontane hat weder »manches vom ungarischen Meister der Ballade gelernt" noch »Szekler Volksballaden studiert". Beide Behauptungen entbehren jeder Grundlage, wenn wir nicht annehmen wollen, Fontane habe den Umgang mit Aranyscher Dichtung und die Kenntnis Szekler Volksballaden vor seinen Bekannten und auch der Nachwelt verheimlichen wollen. Auch mit dem »Nachdichten' — wobei das Nachdichten eines Teils einer einzigen Ballade als Ergebnis eines »Studiums" ein etwas mageres Ergebnis darstellen würde - hat es eine ganz andere Bewandtnis, als es uns Gragger darzustellen versucht:
»Fontane hat nämlich in seinem ungarischen Roman (»Graf Petöfy')*, desen literaturhistorische Personennamen Petöfi, Toldy er wohl auch von Kertbeny hatte, eine Szekler Volksballade als unheimliche Antizipation der Katastrophe, ebenso wie in seinem früheren Romane das Adultera- bild, angewendet. Franziska hört vom alten Toldy die Ballade „Barcsai", eine der berühmtesten ungarischen Balladen, erhält sie in einem Jahrmarktsdruckbogen und setzt sich an ihren Schreibtisch, um sie zu übersetzen:
.Vater, Vater, lieber guter Vater,
Meine liebe Mutter liebt Barcsai" -**
Es stimmt, daß Fontane einen Teil der Ballade »Barcsai" im »Graf Petöfy" zur Antizipation benutzt. Wieweit sie »unheimlich' ist, das sei dahingestellt, jedenfalls deutet sie aber nicht die Katastrophe, den Selbstmord des alten Grafen voraus, sondern auf den Ehebruch Franziskas - der ihr ja vom Grafen im vornherein zugestanden worden war.
Graggers Hinweis auf seine Studie »Lenau und Fontane", in der er »eingehend' über den »Einfluß Jökais' gesprochen haben will, ist - so wie die These einer Beeinflussung Fontanes durch Jökai - nicht beweisbar: in »Lenau es Fontane ' 17 findet man nur an drei Stellen eine Bezugnahme auf Jökai. Erstens sei das Wiener Stadthaus der Petöfys »Jökaiartig" („Jökai izü") 18 , zweitens habe sich Franziska im Roman »selbstverständlich mit Jökais Romanen an der ungarischen Sprache versucht" (»termeszetesen Jökai regenyein pröbälkozott meg a magyar nyelvvel ') 19 und drittens sei das, was wir im -Grat Petöfy ' lesen „Schöpfung der Phantasie und der Einfluß Jökais („a kepzelet alkotäsa es Jökai hatäsa") 30 , besonders in der Gestalt des alten Grafen seien Spuren der einen Gestalt Jökais, des ungarischen Nabobs zu erkennen, während die Handlung den Einfluß des Jökaischen Romans „Der Neue
* (Fugnote Gragger dazu: Über diesen Roman und über den Einfluß Jokais auf ihn habe ich eingehend in »eine Studie »Lenau und Fontane" gesprochen.)
"[Fugnote Gragger dazu: Vgl. die Übersetzung der Ballade von Ludwig Aigner: Ungarisdte Volksdichtun- 8en. Pest. 1873, S. 102 f.; eine erweiterte Fassung des Gedichtes übersetzte Josef Veszt.J 99