Heft 
(1991) 52
Seite
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«Die Frage, auf welche Weise Fontane diese Ballade kennen lernte, kann mit Bestimmtheit beantwortet werden. Eine Vergleichung der vor­handenen Übersetzungen zeigt, daß dem deutschen Dichter die inhalt­lich und formell getreueste Übersetzung der Ballade von Gustav Hein­rich vorlag. Diese erschien im III. Band der .Ungarischen Revue' (S. 148 ff.) und wurde von dem Berliner .Magazin für die Literatur des In- und Auslandes', 1883, Nr. 13, S. 182 f. abgedruckt. Fontane war nicht nur Leser des Magazins, er war auch Mitarbeiter desselben. Einige Seiten hinter der erwähnten Übersetzung, S. 200, findet sich eine Rezension Fontanes (über E. v. Dincklage: .Die Amsivarier'). In dieser Berliner Zeitschrift las also Fontane die Ballade. Aus der Über­setzung Gustav Heinrichs übernahm er den Wortlaut mit wenig Ver­änderungen. Er verkürzte die Alexandriner des Originals in zehnsilbi- gen Zeilen und ließ infolgedessen die charakteristischen Wiederholun­gen weg. Folgende Parallele soll zur Vergleichung dienen:"

Barcsai.

Heinrich.

»Vater, Vater, Vater, lieber, guter

Vater!

Meine liebe Mutter wahrlich liebt den Barcsai.«

.Hörst du, Weib, o hörst du, was

dies Kind da plaudert?' »Höre was es plaudert, hör' es,

liebster Gatte! Töricht ist das Mädchen, weiß nicht was es redet.«

Und er eilt von. hinnen, fort auf

Klausenburg zu;

Ging die Hälfte Weges, kehrte von dort wieder.

Langt zu Hause an.

»Öffne, Weib, die Türe, öffne,

Gattin, öffne!«

»Ja ich öffne, Mann sie, öffne sie,

mein Gatte!

Laß den feinen Rock nur um den

Leib mich werfen, Laß die Linnenschürze schnell nur

um mich binden.

Laß den Spitzenschleier nur mich

eilig antun.«

Aber jener sprengte des Palastes

Türe.

Fontane.

«(Vater, Vater, lieber guter Vater, Meine liebe Mutter liebt Barcsai.«

Hörst du, Weib, was unser Kind da

plaudert?"

»Hör' wohl, was es plaudert,

liebster Gatte.

Töricht ist es, weiß nicht was es

redet.«

Und er eilt von hinnen, fort auf

Tolna,

Ging die Hälfte Weges, - kam

dann wieder.

»öffne, Weib, die Türe, öffne,

Gattin!«

»Ja, ich öffne, öffne schon, mein

Gatte,

Laß den Rock nur um den Leib

mich werfen.

Laß die Linnenschürze nur mich

umtun.

Laß die roten Stiefel nur mich

anziehn.«

Aber jener sprengte schon die Türe. 101