Man kann hiergegen kaum etwas einwenden, denn das, was er sagt, stimmt, ein Vergleich der Übersetzungen Heinrichs und Aigners bestätigt Graggers Behauptung, Fontane habe die Gustav Heinrichsche Übersetzung als Vorlage benutzt . 25 Nur verschweigt Gragger einiges und verfälscht auf diese Weise die Fakten. Darauf wollen wir nach der letzten Graggerschen Passage ein- gehen, die folgendermaßen lautet:
»Fontane läßt darauf den Kuratus, den ungarischen Sprachmeister Franziskas, einige Worte über die ungarische Ballade sagen. Diese Bemerkungen beruhen auf der Einleitung, die Heinrich seinen Übersetzungen vorausgeschickt hat. Fontane selbst hat den Ort der Handlung des Gedichts aus Siebenbürgen nach dem jenseits der Donau versetzt, statt Kolozsvär (Klausenburg) Tolna geschrieben und so jener Gegend, wo ,Graf Petöfy' spielt, nahe gebracht. All dies zeigt, daß Fontane neben der schottischen Volksballade auch die zwei ungarischen Meister der Ballade, Arany und die Volkspoesie, gekannt hat.'
Robert Gragger.
Korrekt ist, daß Fontane den Ort der Handlung der Ballade versetzt hat. Völlig unklar ist hingegen, wo Gragger in den Ausführungen des Kuratus die Bemerkungen Heinrichs wiederzuerkennen vermeint. (Im Roman heißt es an der erwähnten Stelle über den Kuratus: »Dabei nahm er zugleich Veranlassung, den Literaturhistoriker zu spielen, Barcsai sei Lieblingsballade von alter Zeit her und seinem Stoffe nach nicht schrecklicher als andere. Das sei nun mal Balladenrecht, wenigstens in Ungarn. Es gäbe kaum ein altes Volkslied, darin nicht Verrat und Untreue vorkämen, denn das Lied spiegle das Leben. Allerdings verlange das Volksgefühl hinterher auch Sühne, ja, sei dabei ziemlich streng und gestatte meist nur die Wahl zwischen Eingemauert- und Angezündetwerden. Aber die letztere werde bevorzugt, weil es bunter und lebendiger sei' 26 ). Demgegenüber lesen wir bei Gustav Heinrich nur: »Die Tragödie der verbotenen Liebe, - ein Lieblingsstoff der Volksdichtung, voll Leben, Bewegung und Leidenschaft .' 27 Erler referiert diese Ausführungen Graggers ebenso wie Keitel und Nürnberger . 28
Die Inkorrektheit begeht Gragger an dieser Stelle, indem er dem Leser verschweigt, daß die Ballade für Fontane nicht im vollen Wortlaut zu gebrauchen war und er sie deshalb verkürzte! Die deutsche Übersetzung, die Fontane als Quelle benutzt hat, umfaßte nämlich die gesamte Ballade. Folgenden abschließenden Teil überarbeitete Fontane nicht, und so fehlt er auch im Roman:
»Gib mir her, gib mir her jener Truhe Schlüssel!'
»War beim Nachbar drüben, stieg den Zaun hinüber. Dort hab' ich verloren jener Truhe Schlüssel,
Doch ich find' ihn wieder früh am roten Morgen.'
Aber jener sprengte rasch der Truhe Wand ein Und herausfiel Barcsai aus der grossen Truhe,
Und er fasste wild ihn, schlug ihm rasch das Haupt ab.
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