Heft 
(1991) 52
Seite
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»Komm heran, komm heran, komm, Weib, meine Gattin!

Von drei Todesarten magst du eine wählen:

Soll ich dich erschiessen oder soll dich köpfen?"

»Von drei Todesarten wähl' ich mir die eine:

Will dir und sechs Gästen, will euch lustig leuchten."

»Höre, Diener, bring herein das Leintuch

Und den Topf voll Pech auch, -

Fasset sie am Haupte, hüllt sie bis zum Fuss ein.

Steckt am Fuss in Brand sie, brennt sie bis zum Haupte.

O mein Gott, o mein Gott! O was hab' getan ich,

Hab' mein Weib getödtet, Barcsai getödtet!"

Eindeutig setzt Fontane in und mit seinem Roman ganz andere Akzente als diese Ballade, deren Übersetzung übrigens auf der Variante aus der Gegend von Marosszek basiert. 29 Er hat eine um mehr als die Hälfte gekürzte Va­riante der Ballade benutzt und nur die Elemente beibehalten, die seinen In­tentionen entsprachen, d. h. das Motiv der Gattin, die ihren Mann nicht mehr - liebt. Also genau das, was Franziska im Roman widerfährt. Weggelas­sen hat Fontane dafür, wie der betrogene Ehemann zurückkehrt, seine Frau und ihren Liebhaber überrascht und beide tötet. Dabei gibt Fontane im Text - sicherlich nicht zufällig - in Form der viel weniger intensiven Zusammen­fassung ein Resüme der nicht nachgedichteten Passage, was Gragger aber mit keinem einzigen Wort erwähnt oder gar zu deuten versucht.

Angesichts dieser großen Unterschiede ist im Zusammenhang mit der Bal­lade selbst die Bezeichnungungarischer Einfluß' etwas gewagt, man sollte vielmehr von »Anwendung" sprechen, schließlich sind nicht nur der Roman oder Teile dessen auf Grund der Ballade strukturiert oder inspiriert worden, sondern Teile der Ballade, die in das Fontanesche Konzept paßten, nach der Umarbeitung des Textes in den Roman aufgenommen worden!

In der »Barcsai'-Ballade hatte Fontane das gefunden, wonach er noch im Juli 1883 verzweifelt gesucht hatte: ein bedeutungsschwangeres Symbol. Daß es zuletzt eine ungarische Ballade zur Grundlage hatte, dürfte eher ein Zufall sein, schließlich war Fontane zunächst nicht auf der Suche nach ausgesprochen unga­rischen Mythen, Balladen oder Symbolen. An Emilie Fontane schrieb er näm­lich am 18. Juli 1883: »Wenn Du Wangenheim's siehst, so frage doch, ob Ty- rol oder noch besser Steyermark, nicht ein paar bevorzugte Heilige, so zu sagen Spezial-Heilige hätte, gleich viel männlich oder weiblich. Ich brauche solchen Spezial-Heiligen für meine Petöiy-Novelle." 30

Zusammenfassend kann man feststellen, daß es Gragger mit seinem Artikel von 1912 erreicht hat, den Eindruck zu erwecken, der sich z. B. im Anhangs­teil der KeitelNürnbergerschen Ausgaben desPetöfy folgenderweise äußert: »Immerhin handelt es sich bei den über den Roman verstreuten, oft eher unauffällig dargebotenen Anspielungen auf Werke der ungarischen Lite­ratur nicht um ein bloßes Konversationswissen, sondern um Spuren eines echten Liebhaberinteresses." 3 1 Leider fehlen dann im gesamten Anmerkungs-

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