Heft 
(1991) 52
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den zeigt, weil er Gesetzlichkeiten für langweilig hält. .Ja Crampas, Sie Mei­det das', mahnt Innstetten. . Aber einer, wie Sie..., der unter der Fahne der Disziplin großgeworden ist und recht gut weiß, daß es ohne Zucht und Ordnung nicht geht, ein Mann wie Sie, der sollte doch eigentlich so was nicht reden, auch nicht einmal im Spaß. Indessen, ich weiß schon, Sie haben einen himm­lischen Kehrmichnichtdran und denken, der Himmel wird nicht gleich einstür- zen. Nein, gleich nicht. Aber mal kommt es.'

Nun hat Effis Ehemann bei den Lesern nicht immer eine gute Presse, besonders bei den Leserinnen nicht; Fontane selbst nahm ihn bekanntlich in Briefen gern in Schutz, erklärte ihn für ein .in jedem Anbetracht. .. ganz ausgezeichnetes Menschenexemeplar' und fügte hinzu: ,... sonderbar, alle korrekten Leute wer­den schon blos um ihrer Korrektheiten willen, mit Mißtrauen, oft mit Abnei­gung betrachtet.' Fontane war ja auch, wie er im Alter gedichtet hat, für .festes Gesetz und festen Befehl', als "das Klügste, das Beste, Bequemste, / das auch freien Seelen weitaus Genehmste.'. Ich bitte also die Künstler unter ihnen, Geduld zu haben, wenn wir streng sind im Befolg der Satzung, und die Juri­sten um Nachsicht, wenn wir dennoch etwas versäumen. Wir wollen Ordnung halten, tätig sein und organisieren, wenn auch nicht zuviel. Ermahnen Sie uns bitte, wenn etwas unerledigt bleibt.

Das .Zittern und Zagen' aber betrifft einen anderen, anspruchsvolleren Sach­verhalt, und ich kann im Hinblick auf ihn nur von einem Ziel und einer Hoff­nung sprechen. Die Hoffnung nämlich, daß es uns gelingen möge, wenn wir für die Gesellschaft tätig sind, die richtigen Worte und Gesten zu finden. Wenn es um Literatur geht, sind Worte - und die nonverbalen Gesten - für sich genommen bereits Taten, durch die wir dem Geist eines Autors und sei­nes Werkes näherkommen oder ihn verfehlen. Da hier von Frau Jenny Trei­bel die Rede war, so wollen wir auch des armen Leutnants Vogelsang geden­ken, des Erfinders der .Royaldemokratie', der aussah wie .Don Quixote mit einer langen Lanze .. ., dicke Bücher rings um sich her' und von dem die Ma­jorin Ziegenhals sagt: ­ "Er kann doch nur als Warnungsschatten vor den Prin zipien stehen, die das Unglück haben, von ihm vertreten zu werden.' Und doch ist der ausgediente Leutnant vom Regiment Zauche-Belzig in seiner Torheit und seinem Ungeschick ja noch längst nicht der schlimmste unter den Phraseuren, die Fontane in seinen Romanen und Briefen demaskiert - einfach indem er sie zitiert. Henry H. H. Remak hat diese sprachliche Sensibilität Fontanes ein­mal vor dem Hintergrund seiner Briefe vorzüglich dargestellt: "Es haftet die­sen Briefen ein Charme, ein 'Etwas' an', schreibt er, "das in der deutschen Literatur des neunzehnten Jahrhunderts geradezu einzigartig ist und eher an das achtzehnte Jahrhundert erinnert. Es ist die Verquickung von Mark Bran­denburg und Gascogne... es ist der Haft gegen alle Phrasendrescherei, alles Gespreizte, Prahlerische, Gesucht-Feierliche; es ist der stete Kampf gegen das herrschende Pathos... seiner Zeit, geführt mit den Waffen des Verstandes und des tiefen Sinnes für einfache, natürliche Schönheit; kurz, es ist die ewige Fehde des Echten gegen das Unechte.' Wer sich auf Fontane beruft, und das

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