Heft 
(1991) 52
Seite
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tut eine Fontane-Gesellschaft unvermeidlicherweise, der stellt sich einem An­spruch, dem zu genügen leicht und schwer ist zugleich.

Ich erbitte Ihre Hilfe und Ihre Kritik gerade auch in diesem Zusammen­hang. Die Gesellschaft will der Kenntnis und der Verbreitung von Fontanes Werk dienen - im öffentlichen, im wissenschaftlichen, auch im privaten Raum. Fraglos gibt es in allen genannten Bereichen reale Aufgaben und Chancen, aber wir sollten uns gegenwärtig halten, daß wir unser Ziel auch verfehlen können. Die Gesellschaft muß in der Öffentlichkeit vernehm­bar sprechen und handeln. Wo ist die Grenze, wo sich die bei solcher Gele­genheit angezeigte Sprache der Werbung mit der des Dichters nicht mehr ver­trägt? Die Gesellschaft wird wissenschaftliche Aktivitäten fördern oder selbst initiieren - Editionen, Periodica. Wir alle kennen Arbeiten, denen wir für un­sere Kenntnis Fontanes viel zu verdanken haben. Aber zuweilen erscheint die Sprache von Wissenschaftlern und die Sprache Fontanes - und nicht nur die Sprache, sondern auch das ihr zugrunde liegende Denken - durch einen Ab­grund getrennt. Die Aktivitäten der Gesellschaft könnten in eine selbstgenüg­same Betriebsamkeit münden, die manche Mitglieder unbefriedigt ließe. Wenn es dahin käme, daß Sie sich bei der Lektüre der schlichten Sätze Roswithas, der Schmolke oder Lenes, bei der Plauderkunst Dubslavs oder Melusinens von dem erholen müßten, was sie in einer unserer Publikationen gelesen, von einem Podium der Gesellschaft gehört haben - und das könnte doch sein! -, dann wäre das ein Zeichen dafür, daß wir etwas falsch gemacht haben.

Helfen Sie uns bitte - über die Grenzen hinweg, die Alter, Herkommen, Beruf ziehen - eine Vereinigung aufzubauen, in der, sagen wir es einmal so, auch der Autor, dem sie gewidmet ist, sich wohlgefühlt hätte. Dazu dürfte unter anderem gehören, daß wir in einer Fontane-Gesellschaft und besonders auch in dem Haus, das dieser Gesellschaft vielleicht einmal zur Verfügung stehen wird, nicht nur über Fontane reden, keinen irgendwie gearteten Denkmalskult betreiben sollten. Gewiß muß seine überragende Erscheinung für uns im Zen­trum stehen, gewiß sind uns seine Zeitgenossen im Rahmen unserer Bemü­hungen näher als andere Autoren. Im übrigen aber, so scheint mir, mag der Name Fontane nur ein Synonym für die Beschäftigung mit Literatur überhaupt sein, nicht zuletzt Literatur der Gegenwart, die sich ja nicht selten auf Fontane beruft.

Ferner gehört dazu sicherlich der Verzicht auf die Überbetonung spezieller Interessen. Die Gesellschaft ist nicht das Instrument eines Zirkels von Ger­manisten, Heimatkundlern, Pädagogen oder ich weiß nicht was. Das einigende und allem übergeordnete Element ist ein literarisches Werk. Es ist über alle Tagesinteressen hinaus in der Sprache fixiert, und jeder neue Leser begegnet ihm neu. Dabei zeichnet nach meiner Erfahrung oft gerade die .Stillen im Lande' eine große innere Unabhängigkeit von den Tendenzen des Tages aus. Und gerade sie sind es, die "ihren' Fontane sehr genau gelesen haben.

.Es ist nichts Auswendiggelerntes, nichts Schablonenhaftes in mir, ich bin ganz selbständig in Leben, Anschauung und Darstellungsart und halte mich deshalb

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