Heft 
(1991) 52
Seite
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für interessant und apart', hat Fontane an Mathilde von Rohr geschrieben. So wäre ich als Leser gerne auch. Als " staatlich abgestempelter Fachsimpler", wie Fontane auch geschrieben hat, werde ich dieses Ziel möglicherweise n i c h t er­reichen, denn » Deutschland ist jetzt überfluthet von diesen bornirten Subjekten, die, weil sie drei Examina bestanden und einige Literaturkapitel auswendig ge­lernt haben, der deutschen Nation beibringen wollen, wie Kunst und Dichtung beschaffen sein müssen. Vier Bücher solcher Herren liegen vor mir, eins immer schlechter und dünkelhafter als das andre, lederne Menschen, die, weil sie so ledern sind, auch nicht das Geringste von der Sache verstehen, moderne Bil­dungsscheusäler, denen jedes natürliche Gefühl, wenn sie's je hatten, abhanden gekommen ist. Meine grenzenlose Verachtung gegen diese Leute ist in einem steten Wachsen begrfften. Sie wollen fördern und verwüsten alles.'

Ich habe jetzt nur zitiert, was Fontane über meinen Berufsstand dachte, ge­nauer gesagt, als Ausdruck einer Stimmung in einem Brief geäußert hat. Ver­treter anderer Berufe bitte ich um geneigte Lektüre; sie werden sicher etwas Passendes für sich finden. Informieren wir uns bei Fontane, wie es um uns steht, denn die Literatur ist die Aufrichtigkeit selbst, sie ist der wahre Aus­druck des Lebens. Sie ist der »einzige wahre Ausdruck des Lebens', wie es bei Joseph Roth heißt: »La littérature c'est la sincerite meme, la sente expression vraie de la vie.'

Aber was sage ich: Sie werden sich nicht informieren, sie haben schon gelesen, und weil es Ihnen gefallen hat, was sie über sich gefunden haben, darum sind sie gekommen. Sie bedürfen meiner Warnungen nicht. Nicht der vor dem Zuviellesen - denn »viel Lesen macht dumm', wie der Dichter sagt; nicht der vor der falschen Bildung. .Ich bin fast bis zu dem Satz gediehen", schreibt er in einem Brief, Bildung ist ein Weltunglück. Der Mensch muß klug sein, aber nicht gebildet. Weil sich aber Bildung wie Katharr bei Ostwind kaum vermeiden läßt, darum muß man beständig auf der Hut sein, daß aus der kleinen Affektation nicht die galoppierende Schwindsucht wird'; nicht der vor der Wissenschaft: um die ist »so etwas von Unfehlbarkeit" herum - .es ist aber nicht so doll'. Alle solche Mahnungen wären nur lehrer­haft - .und alle Lehrer sind nämlich verrückt -, und nicht einmal die letzte Warnung, die vor dem Dichter selbst denn auch er ist kein Heilbringer, kein Sesam-öffne-Dich - ist am Platze, noch nicht einmal in einer Dichter- Gesellschaft. Denn es ist eine Fontane -Gesellschaft.

Noch einmal heiße ich Sie herzlich willkommen. Bis jetzt hat es den Anschein, als könnte der Verlauf unserer Veranstaltung der Ihnen bekannten Planung entsprechen. Auch der See dürfte sich ruhig verhalten, jedenfalls gibt es bisher keine der bei Fontane doch üblichen Vorausdeutungen. Aber damit sind wir bei dem Roman, über den wir jetzt den Festvortrag unserer Kollegin Sa- garra hören werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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