„doch immer so treu gewählt’. Oder auch das schicke Dienstmädchen Hedwig, welche so schlimme Erfahrungen mit den berüchtigten Hängeböden hinter sich hat und der Polizei für deren Abschaffung zu danken meint: .Ach ,... die Polizei ist doch ein rechter Segen."
Die Figuren Gundermann, Schickedanz und Hedwig sind eminente Beispiele von Fontanes Wort- und Charakterisierungskunst. Gleichzeitig aber vermittelt er damit nicht nur ein Bild der Menschen aus sehr verschiedenen sozialen Schichten und gesellschaftlichen Umständen, sondern gibt uns einen Einblick in deren politische Mentalität. So unbedeutend sie auch sein möchten, alle drei kennzeichnet ein ausgeprägtes, an der eigenen Gegenwart orientiertes politisches Selbstverständnis der .Dazugehörigkeit'. Sie sind eben nach eigenem Gefühl Teil jener .Staatserhaltenden’, von dem ironisch im Wahlkapitel die Rede ist. Das Selbstbewusstsein derer, denen es in ihrem Leben leidlich gut ging, in einer Epoche des wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritts zu leben und in eisern Staat, der sich um sie kümmert, das ist sozusagen der .Kitt', der die wilhelminische Gesellschaft zusammenhält.
Denn die fontanesche Kunst ist es, und nicht etwa seine polyhistorischen Geschichtskenntnisse, was die zeitgenössischen Historiker wie Gordon Craig oder Thomas Nipperdey, Fritz Stern oder Geoff Eley veranlaßt, immer wieder Fontane zu zitieren, um auf diese Weise den Nachgeborenen eine weitzurückliegende Welt zu erschließen.
Zur äußeren Form und zum Inhalt ein paar Worte:
Der Roman hat, wie wir wissen, 46 ungleichmäßige Kapitel - wie die einzelnen Kapitel eines Lebens einander ungleich zu sein pflegen. Er liest sich von g Anfang an vertraut, und doch ist so vieles hier anders als in den großen Zeit- romanen der Epoche. So fällt es zum Beispiel auf - oft erst nach wiederholter Lektüre - daß wir nicht wissen, wie die Figuren des Romans aussehen. Wir wissen, wie sie sich bewegen oder - bei einigen - wie ihr Charakter auch durch einzelne Kleidungsstücke zum Ausdruck kommt, so etwa Dubslavs eingeknautschter Filzhut, das schottische Cape der Melusine oder der Radmantel I des .Malermenschen' Cujacius.
Wie die Figuren reden, ja das wissen wir immer oder vermeinen es zu vernehmen, aber von der Physiognomie, von den Gesichtszügen, abgesehen von sozialgeschichtlich aufschlußreichen Attributen wie Sappeurbärten, ist hier kaum eine Spur. Eine andere Eigentümlichkeit ist die, daß viele Figuren des Romans, die uns im Gedächtnis haften bleiben, eigentlich dort überhaupt nicht auftreten, so etwa jenes klösterliche Unikum, Rentmeister Fix, der unwahrscheinliche Verbindungen zur Gedankenwelt eines Nietzsches zu unterhalten scheint oder auch jener exemplarische wilhelminische Kleinbürger und soziale Aufsteiger, der schon genannte Schickedanz. Hier bewährt sich wieder Alexander Kluges Einsicht, daß das Geschichtenerzählen die Menschen in ihrer Zeit verankert und sie uns gleichzeitig erschließt.
118