Heft 
(1991) 52
Seite
123
Einzelbild herunterladen

einmal Gott und Bismarck, mit dem versteckten Hinweis (späterer Beleg?) auf das Märchen vom Fischer un syner Fru - mit Bismarck in der Rolle der Frau, die am Ende scheitert;

zum zweiten die Rolle der Armee im politischen Leben Preußen-Deutschlands, keine bloß rituelle Funktion, sondern eine Machtfrage. Und sogar auch Bis­marck, der sich respektlos so ziemlich an alles herangewagt hatte, wußte, daß die Armee seiner Machtsphäre Grenzen setzen konnte und es auch gelegentlich tat. Auch der Hinweis am Schluß der zitierten Passage auf die .Frondeurs' der 90er Jahre ist hochaktuell, denn die .Pilger' nach Friedrichsruh, Bismarcks Gut und Alterssitz, waren jene Unzufriedenen, die so gern für andere das Wort Loyalität in den Mund nahmen, ihre eigene Illoyalität damit begründeten, daß sie im neuen Entourage des jungen Kaisers zu kurz gekommen seien. Aus dem Ton, in dem Dubslav von Bismarck spricht, hört sich auch ein Hinweis auf das gespannte Verhältnis zwischen den Junkern und Bismarck heraus, der schon Jahre zuvor in der Reform der Kreisordnung von 1872 die Junker von ihrer durch Friedrich Wilhelm I. gestifteten Stellung als kleine Könige im eigenen Reich abgelöst und sie in die Staatshierarchie eingebaut hatte. Damit brach er mit einer mehrere hundert Jahre währenden Tradition, daß Staats­recht vor Eigenrecht haltzumachen habe.

Bismarck, so gibt Fontane gern zu, hat in allem, was er seit Anno 70 geschrie­ben, immer hinter der Szene gespukt. Er wird später im Gespräch mit Dub­slav neben Marx, Siemens, Garibaldi genannt als einer jener Revolutionäre, die die deutsche und vielleicht auch die Weltgeschichte im 19. Jahrhundert ge­ändert haben. Fontane selber, wie Gerhard Friedrich in seinem 1988 erschie­nenen Buch .Fontanes preußische Welt' anschaulich darstellt, hat sich im Laufe des Jahrzehnts, der dem Stechlimoman vorausging, von dem Reichskanzler innerlich distanziert, doch sein geradezu ästhetisches Vergnügen am politischen und am menschlichen Phänomen Bismarck konnte er sich nicht versagen. Dieses Vergnügen entzündete sich immer wieder bei ihm an der souveränen bis­marckschen Sprachkunst, in deren Bildlichkeit seiner eigenen in so vielem verwandt. Und schließlich meldet sich in diesem ersten Kapitel im Gespräch der beiden Juden, Vater Baruch Hirschfeld und Sohn Isidor, die heikle und höchst aktuelle .Judenfrage' der 1890er Jahre zu Wort. Und nicht nur das. Gleich­zeitig und andeutungsweise verweist der Erzähler damit auf die ökonomischen Probleme der ostelbischen Grundbesitzer. Diese sind von eminent politischer Bedeutung: Denn am ungeheueren .Machtwillen' der Junker, wie Max We­ber ihr Bestreben nannte, die tradierte politische privilegierte Stellung im Staat zu verteidigen und wirtschaftspolitisch auszubeuten, eine Stellung, die in keinem sinnvollen Verhältnis zu ihrer politischen oder wirtschaftlichen Lei­stung im Staate stand, sind Kaiser und Kanzler und politische Parteien wie­derholt gescheitert. Nicht nur die preußische, sondern gar die deutsche Staats­gesellschaft wurden in der Folge dieses Kampfes atomisiert.

Ich habe selber in meinem Buch über den . Stechlin das Motiv der Verschul­dung gutsherrlichen Besitzes an die Juden als ein aus der Literatur übernom­menes behandelt, denn es spielt ja eine zentrale Rolle in dem von Fontane

123