Heft 
(1991) 52
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was mich zum Schluß führt, daß es hier um einen für die Deutung des Ro­mans wesentlichen Punkt geht. Trotz der Leichtigkeit des Erzähltons, das weiß jeder aufmerksame Leser, behält der m Stechlinroma n vom Anfang bis zu Schluß seinen ernsthaften Grundtenor. Dabei sind die zahlreichen Hinweise auf die Gemäldekunst im Werk nur eines unter vielen Stilmitteln, die einen Teil der »Tausend Finessen' bilden. Ein weiterer, spezifisch böcklinscher Hinweis kommt im Drachenbild der »Via mala' im Sponholzschen Kapitel 37 zur Spra­che. Zusammen mit vielen anderen Bildern von Untergang und Bedrohung, Gefährdung und Tod weisen sie auf jene andere Seite des von den Betrof­fenen meist unterdrückten wilhelminischen Selbstverständnisses. Ich spreche nämlich von jenen Angstkomplexen, welche, wie uns die Literatur- und So­zialhistoriker und auch die Sozialpsychologen unserer Zeit vielfach belegen, die Menschen im ausgehenden 19. Jahrhundert heimsuchten, und von denen John Röhl (1987) zuletzt gemeint hat: »Für die politische Kultur des wilhel­minischen Zeitalters sind diese Angstkomplexe von geradezu schlüsselhaftem Erklärungswert' (123). Auch heute, aus ganz anderen Gründen und bei völlig anderen weltpolitischen Konstellationen, werden die Menschen in diesem Lande, wie wir, ihre Freunde und Mitarbeiter im Ausland, mit Sorge bestäti­gen, von berechtigten Angstkomplexen geplagt. Niemand, der das nicht selber am eigenen Leibe erlebt hat, ist berechtigt, anders als mitfühlend darüber zu sprechen, am wenigsten eine Ausländerin. Nur in diesem Sinn möchte ich als letztes aber gleichzeitig als Auftakt zu unserem Miteinandersein in dieser Ta­gung und in der Verbundenheit zukünftigen Zusammengehens der, wie ich hoffe, sich ständig wachsenden Fontanegesellschaft, Dubslav von Stechlin im Geist Theodor Fontanes zitieren:

»Als der Alte Fritz zu sterben kam', reflektiert Dubslav im 5. Kapitel,dacht er auch, nu ginge die Welt unter. Und sie steht immer noch, und wir Deutsche sind wieder obenauf, ein bißchen zu sehr. Aber immer besser als zu wenig."

Daß Herr Ministerpräsident Stolpe am Sonntag unter uns weilen und zu uns sprechen wird, bedeutet mehr als die gelegentliche staatliche Würdigung un­seres Tuns.

Wie Fontane von der Anwesenheit eines geschätzten preußischen Ministers anläßlich der Feier zu seinem 70. Geburtstag schrieb, gibt uns der Besuch von Herrn Dr. Stolpe - und das ist heute auch mein Wunsch - für dieses schöne Land:

.Mut, Freiheit, Hoffnungsblick und Humor."

Die erste Jahrestagung - ein kurzer Bericht

Vom 27. bis 29. September 1991 trafen sich die Verehrer Fontanes zu ihrer ersten Jahrestagung. Neun Monate nach der Gründung in Potsdam (vgl. Fon­tane-Blätter 51/1991) kamen mehr als die Hälfte der inzwischen etwa 350 Mit-

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