Heft 
(1992) 53
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UNVERÖFFENTLICHTES / WENIG BEKANNTES

John Osborne, Strasbourg (Hrsg.)

Briefe Cesaire Mathieus an Emilie und Theodor Fontane aus den Jahren 1870- 1871

Mit der Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen Fontane und Cesaire Ma­thieu, dem Erzbischof von Besançon, ist es 1983 René Cheval gelungen, die Bedeutung des Verhältnisses der beiden Männer, die einander nie begegneten, in vollem Lichte erscheinen zu lassen. 2 Dadurch wurde die Rolle, die Mathieu bei der Freilassung Fontanes gespielt hat, zwar nicht völlig geklärt, denn die von Cheval veröffentlichten Briefe datieren erst aus der Zeit nach Kriegsende, aber sie zeugen von Fontanes großem Interesse für die französische Perspektive auf die Nachkriegssituation und seinem Verständnis für die Ansichten seines kon­servativ-katholischen Gegenüber.

Der Erfolg Chevals beim Auffinden dieser Briefe im Diözesanarchiv zu Besançon deutet auf die Möglichkeit anderer solcher Entdeckungen hin, die wesentlich dazu beitragen könnten, unsere Kenntnisse über Fontanes Erfahrungen als Kriegsgefangener zu erweitern.

Auch im Briefwechsel Fontanes mit Mathieu bleiben noch Lücken, die aber durch Briefe aus dem Besitz des Theodor-Fontane-Archivs teilweise zu schlie­ßen sind. Hier handelt es sich um fünf Briefe des Kardinals aus den Jahren 1870-71, wovon drei an Emilie und zwei an Theodor Fontane gerichtet sind. Alle fünf Briefe sind in deutscher Sprache verfaßt, was der Angabe Emilies in ihrem Brief vom 18. Nov. 1870 an Fontanes Auftraggeber, den Hofbuchdrucker Rudolf von Decker, entspricht: "Gestern erhielt ich einen eigenhändigen, deut­schen, höchst liebenswürdigen Brief Sr. Eminenz des Kardinals von Be- sançon." 3 Da der Kardinal jedoch die deutsche Sprache nicht verstand und sich Übersetzungen von den späteren Briefen Theodor Fontanes durch den Abbe Moussard anfertigen lassen mußte, ist es wahrscheinlich, daß die deutschen Fassungen dieser Briefe auch vom letzteren herrühren. 4 Die im Besitz des Fonta­ne-Archivs befindlichen Briefe sind aber offensichtlich Kopien. Das manchmal fehlerhafte Deutsch scheint zwar auf einen französischen Verfasser hinzudeuten, aber eine gewisse Unsicherheit in der Wiedergabe von französischen Ortsnamen (einschließlich Besançon) schließt die Möglichkeit aus, daß die vorhandenen Manuskripte französischen Ursprungs sind. An mehreren Stellen hatte der Ko­pist anscheinend Schwierigkeiten bei der Entzifferung des Originals; es sind sowohl Lücken als auch nachträgliche Verbesserungen (mitunter einige von an­derer Hand) im Text. Bleistiftkorrekturen von der Hand Friedrich Fontanes las­sen mit großer Wahrscheinlichkeit ihn als Auftraggeber erscheinen. 5

Die Manuskripte sind alle undatiert, aber die chronologische Reihenfolge, in der sie ursprünglich geschrieben wurden, läßt sich unschwer erkennen, teilweise auch die Ursprungsdaten. Die fünf Briefe werden hier in dieser Reihenfolge vorgestellt.

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