Als sich Storm darauf in den letzten August-Tagen endgültig entschloß, seine beruflichen Anliegen vor Ort, d.h. in Berlin zu beschleunigen, durfte er schon mit einer privaten Unterkunft rechnen. Er bat Fontane, mit Friedrich Eggers abzumachen, "wessen Penaten mich beschützen sollen". 19 Dabei war Kugler noch nicht im Gespräch gewesen. Angesichts der Respektabilität, die ihm bescheinigt wurde, der "Geheimräthlichkeit", darf vermutet werden, daß er sich tatsächlich erst anbot, als die Schwierigkeiten bei Eggers und Fontane eine angemessene Gastlichkeit für Storm ausschlossen. Malerarbeiten im Hause, die ihm Last gewesen waren und den Fluß der Arbeit behindert hatten, erklären sein Zögern zusätzlich.
Aber: "Da nun Eggers am 1ten seine Wohnung wechselt, darin weniger Platz hat und überdies nächstens nach Nürnberg reist, da Fontane doch weder Platz noch an Sonstigem etwas übrig hat und seine Frau kränkelt, so habe ich Storm geschrieben, er möge bei mir wohnen." 20
Die mit Storm vertrauteren Fontane und Eggers waren es denn auch, die den Dichter am 5. September - einem Montag - um 5 Uhr von der Bahn abholten und direkt zu Kugler brachten. Schenkt man Friedrich Eggers Glauben, so wäre Storm am liebsten bei ihm abgestiegen. Das Empfinden norddeutscher Verwandtschaft, vorangegangener Schriftverkehr und poetisch ähnliche Neigungen in der Mundartdichtung mochten bei diesem Wunsche Pate gestanden haben. Den ersten Abend verlebte man zu dritt bei Kugler daheim und trennte sich erst kurz vor Mitternacht. Für Eggers, der sich durch die Begegnung mit Storm familiäre Anerkennung bei den in Rostock lebenden Eltern versprach, gab dessen Eintreffen einen willkommenen Anlaß ab, davon nach Hause zu berichten: "Theodor Storm, der nun bei Kugler abgestiegen ist, meinte heut Morgen, wär's nicht um meine Abreise gewesen, so hätte er doch bei mir wohnen mögen." 21 Offensichtlich war man auch gleich über die Lieblingsthemen ins Gespräch gekommen, denn Storm fand Gelegenheit, Eggers seine Bedenken über dessen plattdeutsche Verse für die "Argo" zu unterbreiten. Unschwer ist der Ton der Erleichterung bei Eggers herauszuhören, in dem er vom Ausgang dieses frühen Disputs über Poetisches nach Rostock sprach: "Gestern sagte dieser enthusiastische Verehrer (gemeint ist Storm - R.B.) von Groth noch, daß er in meiner Stelle nimmermehr das Wagestück gemacht hätte, gleich nach Groth mit plattdeutschen Gedichten zu kommen. Heute, nachdem er sie gehört hatte, war er ganz damit einverstanden und erklärte sie für durchaus mittheilbar." 22 Storms Urteil, dessen Schrankenlosigkeit wenig später Verstimmungen provozierte, wurde ernstgenommen; es ebnete ihm den Weg in den Berliner Literatenkreis, verlieh ihm den Status des Gleichberechtigten und wurde mit Respekt gehört und in Betracht gezogen.
Kugler bemühte sich, besonders in den ersten Tagen ein Gastgeber zu sein, dem es an abwechslungsreichen Angeboten nicht mangelte. Gleich am Dienstag hörte und sah man sich die Oper "Don Juan" an - die man allerdings nur "in einigen wenigen Punkten gut und in vielen abscheulich" 23 fand - und traf sich in der Gemäldegalerie des Museums. Für Donnerstag (8. September) berief Kugler, umsichtig in allem, eine Rütli-Sitzung ein, um Storm möglichst direkt in den zu diesem Zeitpunkt voller Pläne steckenden Kreis zu integrieren. Die kurz vor ihrem Abschluß stehenden Arbeiten am Jahrbuch "Argo" erzeugten eine angespannte Stimmung und verliefen teilweise fieberhaft, was Storm zu spüren bekam. In vorgerücktem Stadium befanden sich auch die Überlegungen, das von Friedrich Eggers redigierte "Deutsche Kunstblatt" um ein literarisches Beiblatt
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