Heft 
(1992) 53
Seite
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"Du weißt es schon daß ich mit Mühe nur,

Was mich bewegt, in laute Worte fasse,

Doch weißt du auch, wie gern in deiner Hand Ich dieses Theilchen meiner Seele lasse." 61

Der Brückenschlag, der diese Widmung war und sein wollte, stiftete ein brüder­liches Bündnis, an dem Storm gelegen schien. Den Grund dafür gab eine Nähe ab, die in beider Rollenverständnis und dessen Wunschbild gesehen wurde: dem Poetentum als der eigentlichen Existenzform, zu der man bestimmt war.

III.

Die gemeinsamen Tage im Haus Kuglers lesen sich, folgt man ihrer Überliefe­rung in den Briefwechseln, wie Passagen einer Novelle des poetischen Realis­mus: Der aus politischen Gründen mit Berufsverbot belegte Dichter aus Schles­wig findet solidarische Aufnahme in Berlin im Kreis des preußischen Geheimra­tes Kugler, der ein Mann von Noblesse und poetischem Verstand ist. Gesellig­keit und literarische Arbeit, mit dem Ziel an der Reformierung des kulturell­literarischen Lebens in Preußen mitzuwirken, führen zur Annäherung, bei der kleine Dissonanzen nicht ins Gewicht fallen. Erst die Not beruflicher Bindung, bei deren Milderung alle behilflich sind, zwingt zur Trennung, die allseitig be­klagt und bedauert wird. Viel Kulisse und Ambiente scheinen auf, selbst an Verklärung durch die weitgesteckte, von Poesie und Poetentum geprägte Sinn­setzung der prosaischen Wirklichkeit fehlt es nicht.

Daß die tatsächlichen Lebensumstände anders beschaffen waren, erweist sich umgehend, wird die Folie des Konventionellen abgezogen, auf deren Erhalt alle Beteiligten letzthin doch bedacht waren - mit einer Ausnahme. Dieser Ausnah­me sind Aufschlüsse über die weitere Entwicklung der angebahnten Beziehun­gen, die Storm zu überschätzen im Begriff stand, zu verdanken: sie hieß Theo­dor Fontane.

Die überlieferten Briefe, die Fontane und Storm nach dessen Abreise von Berlin wechselten, lassen keinen Zweifel darüber, daß die erlebte und inszenierte Har­monie zügig entidealisiert wurde. Rütli und "Argo", ernstgemeinte ideelle Ge­rüste, gebaut gegen die Banalität und das unergiebig Aufreibende des Alltags, wurden von der Übermacht der wirklichen Lebensverhältnisse ihrer Beschwö­rer eingeholt und zeigten sich weniger stabil als erhofft.

Mehr als einmal schenkte der sich betont unsentimental gebende Fontane dem einige Hoffnung in die freundschaftlichen Bande setzenden Storm reinen Wein ein. Anlässe boten sich dafür mehr als genug: die "Argo" fand mehr Kritiker als Verehrer, das Kunstblatt wurstelte ständig in finanziellen Nöten vor sich hin, und der Verlaß aufeinander ließ mehr und mehr zu wünschen übrig. Am besten schnitt dabei noch das aus der Taufe gehobene "Literaturblatt zum Deutschen Kunstblatt" ab. Obwohl die Beiträge in der Regel ungezeichnet erschienen, spra­chen sich einzelne Verfasserschaften herum, so daß Storms aktive Mitarbeit in der Anfangsphase (bes. 1854 u. 1855) zu seinem Heimischwerden in der Berliner und preußischen Literaturlandschaft beitrug.

In einer vom Verleger Heinrich Schindler Unterzeichneten öffentlichen Mittei­lung war überdies auf den personellen Zusammenhang von "Argo" und "Lite­raturblatt", das sich erklärtermaßen dem "Interesse der poetischen Nationallite­ratur" widme, hingewiesen worden. An diesem Blatt wirken, so jenes Werbe-

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