spiel zeigt, daß Theodor Storm an den als Entfremdung empfundenen Erfahrungen nicht schuldlos war. Seine Ungewandtheit, das Geflecht sozialer und individueller Verknüpfungen ordnend zu durchschauen, um sich in ihm frei zu bewegen, bescherte ihm nicht selten Mißbilligungen der Freunde und Bekannten. Fontane erinnert, "daß Storm, nach Art so vieler lyrischer Dichter - ... -, der Träger von allerhand gesellschafllichen Befremdlichkeiten war, die, je nach ihrer Art, einer lächelnden oder auch wohl halb entsetzten Aufnahme begegneten."1 7 Ein besonderer Fauxpas Storms war es natürlich, sich gerade bei Fontane tadelnd über die "frauliche Lust am Protegiren" 72 Henriette von Merckels zu mokieren. Diese hatte Storm beim Abschied von Berlin im Herbst 1853 überschwenglich angeboten, sich für den norddeutschen Dichter bei einer Reihe angesehener Persönlichkeiten zu verwenden. Über den verletzten männlichen Stolz, der sein Lächerliches hatte, verkannte Storm, daß ihm diese Hilfe von der Tochter eines ehemaligen Ministers, deren Verwandt- und Bekanntschaft sich in alle möglichen preußischen Staats- und Beamtungsbereiche erstreckte, angetragen wurde. Emil Illaire, der Kabinettsrat, dessen Dienste vom Rütli mehrfach in Anspruch genommen wurden, zählte zum vertrauteren Umgang der Familie Merckel. Fontane konnte es sich dann auch nicht nehmen lassen, Storm über den selbstlosen Freundschaftsdienst Henriette von Merckels für seine Belange zu unterrichten. 73 Die tiefgreifende Unterschiedlichkeit der beiden Welten, die in den Personen aufeinander stießen, hier wurde sie virulent. Daneben trat ein weiterer Umstand, der bei Fontanes nachhaltig wirkendem Vorbehalt gegen Storm beinahe unberücksichtigt blieb. 74 War Storm im Herbst 1853 in die Aufschwungphase des Rütli, "von der wir uns alle viel versprachen" 75 , geraten, so erlebte er nun dessen erste Krise. Eine ganze Zeit lang laborierte Storm an seinem Bild der Runde, dem er die aktuellen Erfahrungen des Potsdamer Alltags wieder anpassen wollte. "Unsern liebsten Umgang - Fontane, Eggers, Merkel (sic), namentlich das Haus Kugler, von den jungen Poeten 'der ewige Heerd' genannt, haben wir in Berlin", schrieb er an Brinkmanns im Februar 1854. 76 Auch das "mythische Diner" bei Kugler mit dem gemeinsam verehrten Joseph von Eichendorff fügte sich noch in das Wunschbild. 77 Alles Kommende indes kaum. Das geknüpfte Band, weit loser als Storm dachte, löste sich Schritt für Schritt; einzelne Fäden blieben in Form von persönlichen Kontakten übrig. Jenes Band neu zu flechten, fehlte Storm die Ausstrahlung. Seine angestrengten Versuche, als Bindeglied zu wirken, fußten auf Verkennung der wirklichen Beziehungen zwischen den Berlinern und ihm. Storms dichterisches Ansehen in Deutschland wuchs, ohne daß es auf das Rütli zurückwirkte, gleichsam als dessen Produkt angesehen wurde. Obwohl Storm sich auf die literarischen Wertungskriterien des Kreises einließ und sich in dessen poetisches Konzept einzudenken bemühte, wie nachgewiesen wurde 78 , versagte man ihm dort die erneute Anerkennung. Die Auseinandersetzung um "Angelika" beweist das gründlich. In Fontanes Wunsch an "Tannhäusers" Lyrik, "daß im märkischen Sande die Blume weiterblühen möge, die unterm Windhauch der Nordsee so spärlich, aber eben drum so kostbar gedieh" 79 , klang verständnisvoll-vorsichtig die Kritik an den poetischen Leistungen Storms im Exil mit.
Storm durchlebte diese Jahre mit Anstand: trotz der Enttäuschungen, die ihm widerfuhren, trotz der Krankheiten und Kränkungen, die aus dem oft unbewäl- tigten Arbeitsalltag resultierten, und trotz der Fremde, die ihm die Umgebung blieb. Er erkannte, daß aus den großen Plänen der Männer um Kugler nichts 22