Bismarck zum 80. Geburtstag schenkte. 23 Der Reichskanzler trug die Uniform auch dort, wo ein westeuropäischer Staatsbürger sie am wenigsten vermutete, nämlich im Reichstag. Daß ein Staatsminister oder gar der Regierungschef in militärischer Uniform im Parlament aufzutreten pflegte, war eigentlich eine Herausforderung an den Staatsbürger. Die wiederholte Identifizierung Bismarcks mit seiner Kürassieruniform verkündete also die Unterordnung einer der wichtigsten Instanzen des Rechtsstaats unter das allein dem preußischen König verantwortliche Militär. Ob Fontane das auch sagen wollte, ist zwar nicht eindeutig zu sagen, die einzelnen Textstellen ließen sich, wie ich meine, so interpretieren. Der 'Schwefelgelbe' hat weitere literarische und ikonographische Züge, die kunstreich im jeweiligen Erzähltext eingebettet sind. Kurt Ihlenfeld hat schon 1973 flüchtig auf den Bezug zu Mephisto aufmerksam gemacht, Schwefel ist ja 'des Teufels': "Doch nomen est omen: sicher steckte in dem Wort auch der Anklang an einen anderen 'Schwefelgelben', der in Goethes Faust den Namen Mephisto führt". 24 Mephisto ist der Geist, der stets verneint - denkt man da nicht unwillkürlich an den 'Hausfreund' van der Straatens, der sein Selbstbewußtsein in der selbstgewählten Aufgabe als Bismarckkritiker findet und doch sich stets als ein schwaches Abbild des von ihm Geschmähten aufführt, den "Negationsrat" Duquede? Man weiß, daß Bismarck sich gelegentlich mit der Faustfigur in Verbindung zu setzen pflegte, auch daß er sich in der Rolle des Königsdieners gefiel. Man kennt auch die sentimentale Selbstprofilierung Bismarcks nach seiner Berufung zum preußischen Ministerpräsidenten im September 1862, daß er gekommen sei, wie ein Vasall, der seinen Monarchen in Gefahr sehe; bis zuletzt, wie es die schlichten und zugleich prätentiösen Worte der eigens verfaßten Grabschrift verheißen, gab er sich als "Ein treuer Diener seines Herrn". Man könnte also die vielen, oft versteckten Anspielungen auf den Schwefelgelben im späten Fontane als scherzhafte Glosse auf dieses Dienertum lesen, dessen ambivalente Natur sich in der von Fontane geschätzten Anekdote von Wilhelm I. niederschlug, welcher gemeint haben sollte: "Es ist nicht leicht, Kaiser unter diesem Kanzler zu sein" und somit auf den alten topos des Dieners als Herrn. Wer Herr und wer Diener war, darauf hat Thomas Mann in jener Stelle in den Betrachtungen eines Unpolitischen angespielt, wo es heißt: "... darin mag ein gut Teil germanisch-sentimentaler Hypokrisie enthalten sein, denn um sein Dienertum war es gewiß nur so-so bestellt, wenn auch sein Herrschertum in germanisch dienstmännischen, nicht in romanisch cäsarischen Formen sich auslebte". 25
III
Es wäre irreführend, wollte man den Eindruck erwecken, daß sich Fontane im Erzählwerk nur kritisch zu Bismarck geäußert hätte. Es geht ihm auch darum, die politische Sicht der Menschen aus ganz unterschiedlichen, 'repräsentativen' Lebenskreisen zum Ausdruck zu bringen. Wenn Baron Osten in Irrungen, Wirrungen, der es sich vielleicht ein klein wenig zugute halten will, genau wie Bismarck Wortspiele drechseln zu können, von einem " gewissen Kürassieroffizier aus der Reserve" spricht, " der im übrigen mit nichts in Reserve gehalten hat, am wenigsten mit revolutionären Maßnahmen", 26 so soll hier nicht argumentiert werden, genauso wenig wie im Fall Duquedes, daß der Erzähler oder gar Fontane hier selbst ein Urteil über Bismarck ausspreche, sondern daß die Perspektive der Mitmenschen für den Gesamteindruck des Reichskanzlers in seiner Zeit nötig
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