Meinung vertreten zu wollen. Das "'innere Düppel’ einer starken Mannesseele" ist, wie im Fall beinahe jedes Opponierenden im bismarckschen Deutschland, "durch eine bedingungslose Nachgiebigkeit in diesem und jenem andern Stück” gebrochen. 27 Wie anders die Behandlung der Bismarcksthematik als 'System' in Effi Briest, einem Roman, den Fontane zu einer Zeit schrieb, als die Debatte um Ehe- und Familienrecht in dem sich gerade noch in Beratung befindlichen "Bürgerlichen Gesetzbuch" eine noch nie dagewesene Diskussion um die sog. Frauenfrage in Deutschland auslöste, die in der literarischen Öffentlichkeit vornehmlich der sozialistischen, liberalen und bürgerlichen Journale und in der Belletristik - zumal von Frauen - ihren Niederschlag fand. Die Bedeutung der Bismarckgestalt in der Disposition des Romans ist allgemein bekannt. Man könnte behaupten, daß hier mit dem Phänomen des Reichsgründers - Persönlichkeit, Zeiterscheinung, Vermächtnis - die Auseinandersetzung am konsequentesten erfolgt, sowohl in der direkten Hereinnahme der Person des Reichskanzlers in die Handlung wie auch in der verschlüsselten Symbolik der Darstellung, also 'hinter der Szene'. “Der Fürst” steht in Effi Briest für die Verkörperung der Autorität; ja sogar die für Bismarcks Regierungsart bezeichnende Kontrolle der deutschen Medien im Zeitalter der Massendemokratie wird ausdrücklich durch den Hinweis auf seine Papiermühle veranschaulicht. Daß dieser Autorität offensichtlich die Legitimierung fehlt, gehört auch zur Bismarck-Thematisierung. “Preußen- Deutschland hat keine Verheißungend " :so zitierte Fontane halb scherzhaft währ der Arbeit an Effi Briest seine alte Freundin Frau Wangenheim. 28 Wenn Effi an der Handhabung jener Autorität zugrunde geht, so ist es Innstettens Los, sich und die Seinigen dem System zu opfern, das er auch vor sich nicht mehr zu rechtfertigen imstande ist. Innstettens "Nervosität" ist evtl. auch mit ähnlichen pathologischen Erscheinungen bei Bismarck in Verbindung zu setzen - wobei dieser allerdings kein Wagnerianer war.
Ist Der Stechlin (auch) als Fontanes Auseinandersetzung mit der preußisch-deutschen Geschichte des vorausgegangenen halben Jahrhunderts zu verstehen, so müßte man erwarten, daß hier in besonderem Maße der Zeiterscheinung Bismarck Rechnung getragen wird. Und tatsächlich birgt dieser Roman eine große Fülle an meist verschlüsselten Hinweisen auf die Person, den Politiker, das historische Phänomen Bismarck, welcher für viele der Epoche ihren Namen gab. Schon im ersten Kapitel ist von ihm mindestens viermal die Rede - verschlüsselt auf der zweiten Seite als Hinweis auf die Allgegenwart des Reichskanzlers - auch sogar im abgelegenen stechlinschen Dorf durch die Erwähnung der "Girlande von Schwefelfäden" 29 im Schaufenster des dortigen "Eck- und Kramladens". Der Leibdiener Dubslavs trägt den gleichen Namen - allerdings in der verkleinerten Form - wie Bismarcks Diener Engel, während der vermeintliche Bismarckkopf (11) des alten Stechlin und später der des Grafen Barby (123), für beider Unabhängigkeitsgefühl als altpreußische Adlige gegenüber ihrem Monarchen bürgen, ein Gefühl, dessen sich auch Bismarck gelegentlich zugute hielt; alle drei seien ja “schon vor den Hohenzollerns da” (9) gewesen. Dieser Hinweis wird noch bekräftigt durch die Stelle im zehnten Kapitel, wo vom Cremmer Damm, vom "m Nürnberger Burggrafen" und der Ankunft der Hohenzollern i Lande Brandenburg (109) unter den zwei Freunden, Rex und Czako, die Rede ist. Die Anspielung auf Bismarck als "Frondeur", in Dubslavs scherzhafter Erwähnung der Kiebitzeier im 39. Kapitel (369) ist im Zusammenhang mit Arm- gards Wort im 13. Kapitel: "Ich kann das Frondieren nicht leiden" (139) und schließ-
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