schem Verrat bedrohten Kanzler, der nach wie vor die großen nationalen Ziele verfolgt. 14
Dieses Bild gab den Hintergrund für Dahns "Jung-Bismarck"-Gedicht ab. Die Spitzenstellung im Huldigungsreigen verdankt es möglicherweise der direkten Bezugnahme auf das Porträt.
In diesen Zügen, fast von Mädchenweiche,
Wer ahnt darin den künftigen Gewaltigen,
Den Sturmumwetterten, den Erzgestaltigen,
Der da zerschlagen wird und aufbau'n Reiche? 15
Thematisiert wird jedoch der von den Deutschen im Stich gelassene Kanzler, der auf ein Niveau mit den großen Gestalten germanischer Geschichte und Mythologie gehoben wird. Dahn setzt ihm Armin und Jung-Siegfried zur Seite, wobei ihn von letzterem die fehlende Hornhaut unterscheide. So ist er den "giftgetränkten Pfeilen" ausgeliefert, die ihm vom "Undank" seiner Deutschen in die "Seele" geschossen werden. Die Perspektive, die in diese beklagte Gegenwart hinein projiziert wird, entwirft die letzte Strophe:
Wann er entrückt ist der Parteiung Treiben,
Wird das Gewölk, das ihn umwogt hat, fallen Und, leuchtend, in der Weltgeschichte Hallen,
Dicht bei Armin, wird stehn sein Erzbild bleiben. 16
Indem Dahn nationale Mythen zitiert und auf Bismarck bezieht, idealisiert er ihn einerseits als den großen Einzelnen, der Anfeindungen zum Trotz den Weg nationalen Heils unbeirrt ausbaut, andererseits stellt er ihm damit für die politi- schen Alltagsgeschäfte einen literarischen Blankoscheck aus.
Dem Gedicht von Dahn folgt das Fontanes, auf das ich jedoch erst am Ende eingehen möchte. Unter III. kam - natürlich in plattdeutscher Mundart - Klaus Groth, der "Quikbom'-Dichter, an die Reihe. Groth, nach frühem Ruhm, hatte in einiger Abgeschiedenheit vom literarischen Leben in Kiel seine Jahre verbracht. Erst seit Mitte der achtziger Jahre gewann er die Popularität zurück, die ihm anläßlich seines 70. Geburtstags den roten Adlerorden dritter Klasse, verliehen auf Audienz beim Kaiser, eintrug. "(D)a wurde", schreibt sein Biograph Geert Seelig, "der Prophet im Vaterland geehrt." 17 Das Prophetentum wurzelte in einem schleswig-holsteinisch, norddeutschen Deutschtum, das Groths Bemühungen um die "Modersprak" begründet hatte und seine Bismarck-Verehrung prägte. "Die Ausbreitung (...) der plattdeutschen Sprache betrachte ich fortgesetzt als mein Lebenswerk. (...), so unterhielt und unterhalte ich enge Fühlung mit der vlämischen Bewegung in Belgien und mit etwa fünfundvierzig plattdeutschen Vereinen Nordamerikas: die heimische Mundart der Ausgewanderten", mit dieser Wendung schloß Groth dieses politische Bekenntnis, "hat sich als ein starkes Bollwerk zur Erhaltung des Deutschthums erwiesen." 18 Nach 1864 sah er in König Wilhelm, dem späteren deutschen Kaiser, eine Gott geführte Majestät, der er Verse wie die folgenden zueignete:
Wo nun dein Fuß getreten,
Das bleibt geweihtes deutsches Land. 19 46