Heft 
(1992) 53
Seite
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Als Lindau bei Groth anfragte, willigte der ohne Zögern ein. "Ich lehne Ihren Auftrag nicht ab, denn ich bin einer der wärmsten Verehrer unseres großen Reichskanzler, habe das auch in manchem Gelegenheitsgedicht wie in Prosa mit ausgesprochen." 20 Mit gleicher Post schickte er die ergänzende Korrektur für ein Kolonialpolitik-Gedicht, in dem er sich ganz auf Bismarcks Seite stellte. Ge­schlossenheit zeichnet Groths Gedicht aus. Narrative Momente überwiegen in den Partien, die dem jungen Bismarck gewidmet sind. In vier Strophen (gegen­über drei, die den Ruhm Bismarcks versifizieren) gibt er ein Porträt von "en lütten Daugenix" 21 , der zu einem "jungen Eekbom in de Mark" aufwächst, dem des Vaters Gut zu klein für seine Kraft wird:

De's al to grot för Vaders Got,

För den is kum de Welt to grot,

Wo is de Platz, um Kraft un Moth,

Von dissen Mann to pröben? 22

Bestellt, ein großes Werk zu vollbringen, erscheint Bismarck in Reimen wie "Weltgericht" und "Weltgeschicht" als Riese, Held und Hüne, der des Deut­schen Traum nach einem "dütsche Riek" erfüllt. Der durch die Kindheitsbilder beschworene Rahmen wird in der Abschlußstrophe geschlossen: Obwohl die Welt und das Vaterland ihn, Bismarck, fürchten und ehren,

denkt he geem wul an de Tied,

As Otto swärm int Holt,

Un denkt: de Weg weer wunnerbar! 23

Aus der eigenen (zu engen) Scholle ist die große (die deutsche) geworden, an der sich dieselben Eigenschaften bewähren, wie an der seiner Kindheit und Jugend. Ungebrochen ist das Licht, das auf Bismarck scheint. Es wird gespeist vom Mythos märkischer Bodenständigkeit und läßt auch zwanglos Bildungs­skepsis zu. "Klokheit" hat mit "Bok" nur wenig zu tun.

Wilhelm Jensens Gedicht, das an Groths anschließt, hinterläßt kaum einen Ein­druck. Ohne seine Beziehungen zu Storm, Raabe und Heyse wäre Jensen, der seinem Publikum vornehmlich durch historische Novellen und Romane bekannt war, heute vergessen. Die Bekanntschaft mit Raabe rührte aus dessen Stuttgarter Zeit, Beide favorisierten den kleindeutschen Weg zur deutschen Einigung, was ihren Umgang begründete. Erfolglos, aber unermüdlich versuchte er sich auch als Dramatiker. 1884 war sein Stück "Der Kampf für's Reich" erschienen. Jensen "übersetzt" das Porträt nicht wie Groth in altmärkische Erinnerungsbilder. Er deutet es, stellt den Vergleich mit Novalis an, um jedoch dann einen Wesenszug zu betonen, der den jungen mit dem berühmten Bismarck vereint.

In frühen Tagen Schuf manchem schon Der kecke Musensohn Kein sanftes Wohlbehagen.

Der Zunge Witz

Mit lustigem Schweifen,

Und hinterdrein wie Blitz Der Klinge Pfeifen!

Gleich that's ihm Keiner 24

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