Erlöser, "den uns Gott geschenkt", "Brandenburgs Vermächtniß/ an's heil'ge deutsche Land." 34 Die Verklärung und idealisierende Überhöhung ist vollzogen. Im Jugendbildnis erscheint die Zukunft, die schon die eigene Gegenwart ist.
Paul Heyse steht am Schluß des poetischen Bismarck-Teils des "Nord und Süd"- Heftes. Er scherte aus, denn er ließ sich von Lindau, zu dem er ein eher vornehm distanziertes Verhältnis unterhielt, nicht thematisch binden. Auch mußte Lindau zwei Anläufe unternehmen, denn Heyse hatte, als die Anfrage kam, bereits eine Hymne zu den Bismarck-Ehrungen verfaßt und schien nicht gewillt, einen zweiten Text zu publizieren. 35 Und da jene Bismarck-Hymne vor großer Öffentlichkeit - am 28. März in einer Vertonung von Josef Giehrl von sämtlichen Münchner Gesangsvereinen in der bayerischen Metropole vorgetragen 36 - aufgeführt werden sollte, mag Heyse nicht ganz unbegründet Scheu vor übertriebenem Engagement gehabt haben. Überdies hatte ein "junger patriotisch gesinnter Dichter" aus München, Saul Beiße, herausgefordert durch Heyses "Wem soll das Lied erklingen" (so der Anfangsvers dessen anderen Bismarck-Gedichtes), ein Heyse-Lied geschrieben, das gewollt komisch Bismarck und Heyse nebeneinander stellte und letzteren ebenfalls als Kanzler titulierte, was in Heyse zwiespältige Empfindung auslösen mußte. 37
Heyse feiert Bismarck, den Reichserbauer, der Deutschland wieder in den Kreis der anerkannten Nationen brachte. Durch ihn wurde, so Heyse, "(d)er Fremden Hohn" 38 beendet und das "Bruderband" 39 mit Österreich wieder geknüpft. Bismarck habe "uns" aus "Traum und Dämmerung" "an den Tag der Thaten" 40 geführt. Heyse bewegt sich mit diesen Bildern in konventionellen Bahnen nationaler Selbstdeutung. Herausgelöst aus der Traumwelt eines romantischen Idealismus, die mit Alter und Greisentum in eins gesetzt wird, sei dank Bismarck ein Realitätssinn gewonnen, der durch Taten endlich neuen deutschen Ruhm begründe und gleichzeitig nationale Verjüngung bedeute:
Die Letzten einst im Weltverein -
Nun sollen wir die Ersten sein. 41
Daß Bismarck nicht nur Schiedsherr der Nationen ist, sondern gleichermaßen den inneren sozialen Frieden stiftet, hebt Heyse mit Pathos hervor. Dies sei besserer Lohn als aller Lorbeer:
Froh soll fortan
Der niedere Mann
Am warmen Herde wohnen. 42
Im Gegensatz zu den anderen Gedichten läßt Heyse verhalten Ermahnendes anklingen, freilich in sehr stiller Form. Doch ein Bismarck-Lied mit dem Lobpreis des Werkes, nicht des Schöpfers zu beenden und ihn "(d)es Rechtes Schirm, des Friedens Hort,/ Dem freien Geist verbündet" 43 unterzuordnen, das läßt sich als latente Abwehr übersteigerter Idealisierung der Person Bismarcks lesen. So gesehen, erarbeitete sich der Münchner Dichter zu Recht eine Sonderstellung in der Gedichtgruppe.
Und Fontane?
Fontane reagierte auf die Bitte Lindaus sofort zustimmend: eine Absage verbiete “die Rücksicht gegen Sie und die Schwärmerei für Bismarck.e "3 3 Allerdings versucht er, den "Nord und Süd"-Herausgeber von der Jung-Bismarck -Fixierung abzu-
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