bringen. Bezug nehmend auf sein soeben entstandenes 'Zeus in Mission' empfahl Fontane, ein Bildnis Bismarcks aus dem Jahr 1884 mit Jupiterbrauen (!) beizufügen. Zwei Tage später wird seine Ablehnung gegenüber Lindaus Idee noch entschiedener. Er habe auf der Stelle gefühlt: "mit Jung - Bismarck geht es nicht. (...) alles, was ich vom jungen Bismarck weiß, ist das, daß er in Schönhausen, wenn er von der Jagd kam, seine Jagdflinte nicht ins Blaue hinein abschoß, sondern einer großen Sandsteinfigur, irgendeinen Mars oder Bachus, in die linke Hinterbacke feuerte." Es solle ihm zwar nicht schwer werden, aus dieser Anekdote "den ganzen künftigen Bismarck (...) zu constituiren (nicht ins Blaue schießen, Falsche- Götter-Verachtung, Humor, Schabernack)"* 5 , aber ein Festgedicht könne das aufgrund des Anzüglichen nicht werden. Acht Tage später jedoch schickte Fontane Lindau das erbetene Jung-Bismarck-Gedicht: alles sei nicht so schwer gewesen wie gedacht. Er sei bemüht gewesen, " das an und für sich und vielleicht seiner Gattung und Natur nach Phrasenhafte durch phrasenlose Behandlung über sich selbst zu erheben."* 6 Und in der Tat zeichnet sich Fontanes Gedicht durch die Tugenden aus, die ihm vierzig Jahre zuvor mit seinen Liedern auf preußische Männer und Helden ersten poetischen Ruhm brachten. Er reaktiviert den Sprachduktus und setzt auf dessen rhetorische Wirkung. Die einzelnen Strophen markieren jeweils ein Stichwort, das in der folgenden ausgebaut wird. Der Ritt des jungen Bismarck "nach dem Glück",e das nicht ," Gold", “Ehre", "Ruhm" und "Liebe" ist 4 7, führt über ein Traumvision, in der er Germania am Brunnen mit zwei Eimern sieht, zu Barbarossa. Oder genauer:
Und neue Bilder: ein Schloß, ein Saal,
Was nicht blitzt von Golde, das blitzt von Stahl,
Einer dem Barbarossa gleicht - Wer ist es, der die Krön' ihm reicht?
Jung-Bismarck.4 8
Fontane hatte Wilhelm 1.1871 Kaiser Weißbart genannt 49 und damit die Parallele zu Friedrich I., Barbarossa, gezogen. Barbarossa war auch eine der meistzitier- ten Gestalten in der Vormärz-Dichtung, aus der Fontanes Preußenliederstil erwachsen war. Durch die bewußte Anknüpfung im Formalen, das damit semantisch aufgeladen wurde 50 , und Thematischen markierte Fontane Kontinuitätslinien in der preußisch-deutschen und der eigenen, nämlich literarisch-schriftstellerischen Entwicklung. Das ging bis zur Anspielung auf das Barbarossa-Motiv, um dessen stoffliche Bearbeitung er sich 1848 und 1851 bemüht hatte. 51 Daß dem Jung-Bismarck, wie zitiert, der Ruhm des "eigentlichen" Bismarck, die Kaiserkrönung in Versailles, visionär erscheint, erhellt die historische Ungebrochenheit, die die Form vom ersten Vers an mit ihren Mitteln suggerierte. Wer in der Jugend schon ist, was er einmal sein wird, braucht sich an Fortschrittsthesen nicht messen zu lassen. Sie werden, wie das Maß des Lebensalters, außer Kraft gesetzt. Die dem Verfasser durch deren sichere Handhabung möglich gebliebene Distanz findet in der letzten Strophe ihren Höhepunkt. Die Wiederholung der "Was ist das Glück? "-Frage gipfelt in einem Vers, der als direkte Rede ausgewiesen ist: 'Leben und Sterben dem Vaterland'". 52 Ein gedrosseltes Pathos, das sich aus der Drosselung verdoppelte Wirkung verspricht.
Im Unterschied zu allen anderen Gedichten aktivierte Fontane den literarisch und politisch besetzten Begriff "Jugend", der Vormärz und Junges Deutschland assoziieren ließ, indem er Jung-Bismarck zum Sieger der Geschichte erhob und
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