Personalsatire subsumieren. Auffällig bleibt, daß Fontane jede direkte und eindeutige Bezugnahme vermeidet, und das, obwohl die Schriften Leos viele markante Formulierungen enthalten, auf die der ansonsten so zitierfreudige Fontane bequem hätte anspielen können. Ich schließe hieraus, daß Fontane weniger an der Abrechnung mit einer bestimmten historischen Person als vielmehr an der Diskreditierung eines bestimmten politischen Konzeptes interessiert ist. Er verfolgt hierbei die Strategie, dieses Konzept (also die 'Plateau mit Pic'-Ideologie) verdeckt mit bekannten Negativfiguren des öffentlichen Lebens in Zusammenhang zu bringen und hierdurch mit dem Stigma der Prinzipienreiterei, der Inkonsequenz und der Obsoleszenz zu versehen.
Der Vergleich Vogelsangs mit dem Treibelschen Kakadu liest sich hierbei als ein Hinweis darauf, daß Vogelsang keineswegs der 'Erfinder der Royaldemokratie' ist und daß er vielmehr auf papageienhafte Weise Theoreme nachplappert, über deren Herkunft und Bedeutung er keine Rechenschaft abzulegen weiß.
II
In der Tat geht der Begriff 'Royaldemokratie' keineswegs auf Fontane zurück, sondern auf die öffentliche Auseinandersetzung über das politische Konzept Mirabeaus während der Französischen Revolution. In der Debatte über die französische Konstitution, die vom 28. August bis zum 2. Oktober 1789 in der As- semblee Nationale in Paris geführt wurde, schlug der deutschstämmige General Friedrich Ludwig Freiherr von Wimpffen vor, im ersten Artikel zu erklären, "que le gouvemement de la France est une democratie royale." 57 Wimpffen hat also eigentlich diesen Begriff in die politische Diskussion gebracht. Für seine spätere Verbreitung wurde dann allerdings entscheidend, daß Mirabeau in seiner Rede über das Veto vom 1. September 1789 für die von Wimpffen vorgeschlagenen Formulierungen warb 58 , was dann umgekehrt dazu führte, daß Mirabeaus eigene politische Konzeption fortan immer wieder als "democratie royale" bezeichnet wurde. 59
Diese Konzeption war den deutschen - und vor allem preußischen - Zeitgenossen Mirabeaus besonders deutlich durch dessen 1788 erschienenes Werk "De la Monarchie Prussienne" 60 vor Augen geführt worden, worin Mirabeau den Nachweis zu führen versuchte, daß die vielgerühmte Regierungskunst Friedrichs des Zweiten alles andere als segensreich für die Wohlfahrt des preußischen Staates gewesen sei. 61
Diese Schrift versucht, "aus der Darstellung und Beurteilung der frideriziani- schen Administrationspraxis (...) die 'gesunden' Grundsätze der obrigkeitlichen Verwaltungstätigkeit überhaupt abzuleiten, wie sie der Preußischen Monarchie selbst, aber auch jedem anderen Staate zum wahren rationalen Heile hätte gereichen müssen." 62 Mirabeaus Werk ist deshalb nichts anderes als "eine sozialpolitische Werbeschrift für das Ideal des freien, rationalen Gemeinschaftsstaates" 63 , wobei anhand des hierzu wohl am besten geeigneten Beispiels, Friedrichs II., gezeigt werden sollte, daß ein absoluter Herrscher, und sei er noch so aufklärerisch gesonnen, das Staatsideal Mirabeaus nicht verwirklichen konnte. Dreh- und Angelpunkt dieses Ideals war die Schaffung eines Gleichgewichtes zwischen Exekutive und Legislative, und so wollte Mirabeau nach 1789 aus dem König "einen konstitutionellen Monarchen machen, einen Chef der Exekutive, der nach der Verfassung und unter der Kontrolle des Parlaments regiert, mit
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