Heft 
(1992) 53
Seite
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einem Wort: den legitimen König einer legitimen Revolution ." 64 Wirtschafts­und bevölkerungspolitische Mißerfolge erscheinen vor dem Hintergrund dieser Konzeption als unvermeidliche Konsequenz einer aufgeklärt-absolutistischen Staatsverfassung.

Das für Mirabeaus politisches Wirken und auch für die Rezeption seiner Werke entscheidende Hauptproblem ergibt sich aus dem Umstand, daß er die Teilung der Staatsgewalten mit einer Teilung in verschiedene Repräsentationsformen verknüpfen wollte. Wenn sich die Exekutive von der durch ein Parlament ver­tretenen Legislative unterscheiden sollte, dann konnte sie nach Mirabeaus Über­zeugung nicht ebenfalls demokratisch kontrolliert sein. Ein -nicht gewählter - König, der sich freilich als primus inter pares verstehen mußte und an die auf ein Gleichgewicht der Gewalten abzielende Verfassung gebunden war, sollte demnach an der Spitze der Exekutive stehen.

Es liegt auf der Hand, daß dieses Staatsideal Anlaß zu Mißdeutungen geben mußte: tatsächlich ist Mirabeaus Konzeption von Anfang an sowohl als reaktio- när-machiavellistischer Versuch zur Rettung des ancien regime wie auch als Plädoyer für das revolutionäre Ideal der Gewaltenteilung interpretiert worden . 65 Gleichwohl erhält Mirabeaus auf den ersten Blick widersprüchliches politisches Handeln innere Stimmigkeit, wenn man es als einen Versuch zur Realisierung der Gewaltenteilung begreift, die durch eine Diversifizierung von Repräsenta­tionsformen stabilisiert werden sollte. So ist es verständlich, daß er die Gegenre­volution zu verhindern versuchte, weil diese den Absolutismus rekonstituiert hätte, und daß er zugleich bei den Jakobinern, welche auch die vollziehende Staatsgewalt parlamentarisch-republikanisch organisieren wollten, für Mäßigung eintrat. In kontinuierlicher Gegnerschaft stand Mirabeau zu Adel, Klerus und allgemein solchen Institutionen, die sich zwischen König und Volksparlament stellen konnten . 66 Sein Blick oszilliert zwischen dem qua Geburt, durch Erbfolge eingesetzten König als dem legitimen Oberhaupt der Exekutive und dem demo­kratisch gewählten Parlament als dem legitimen Kopf der Legislative.

III

"... Alles sei von Volkesgnaden, bis zu der Stelle hinauf, wo die Gottesgnadenschaft beginnt. Dabei streng geschiedene Machtbefugnisse. Das Gewöhnliche, das Massenhaf­te, werde bestimmt durch die Masse, das Ungewöhnliche, das Große werde bestimmt durch das Große ." 67 Diese Sätze aus Vogelsangs politisch-programmatischer Tisch­rede im Hause Treibel zeigen eine gewisse Nähe, zugleich aber auch markante Differenzen zum ursprünglichen Mirabeauschen Konzept der 'Royaldemokra- tie'. Auch bei Vogelsang gibt es eine Diversifizierung von Legitimationsformen, also sowohl demokratische ('von Volkesgnaden') als auch aristokratisch-absolu­tistische ('Gottesgnadenschaft') Elemente. Ganz anders als bei Mirabeau korre­spondiert jedoch diese Differenzierung nicht mit der Teilung in die verschiede­nen Staatsgewalten ('Legislative, Exekutive'), sondern mit einer abstrus-gefährli­chen Unterscheidung zwischen dem 'Massenhaften' und dem 'Großen'. Man denkt an die 'großen welthistorischen Individuen' Hegels und sieht sich dann sofort wieder auf den Hegelianer und Hegel-Schützling Heinrich Leo verwie­sen, der somit vielleicht von Fontane auf verdeckte Weise einer unzulässigen Vermischung von Mirabeauschem und Hegelschem Gedankengut bezichtigt wird. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, daß Leo in seinem "Lehr- 64