mehr nach den losen Wünschen des Hofes, sondern nach festen Gesetzen ." 90
Daß der König zwar als Staatsoberhaupt fungieren, nicht jedoch in Judikative und Legislative eingreifen soll, wird in diesem Passus nicht ausdrücklich gesagt. Durch den expliziten Hinweis auf Mirabeau (s.o.) werden jedoch nur wenige Seiten später deutliche Hinweise auf jene spezifische Ausformung der 'konstitutionellen Monarchie' gegeben, die 'das größte politische Genie unserer Zeit' propagierte. Wurde auch Mirabeau - z.B. im Zusammenhang mit der Frage des königlichen Vetorechts - seinen eigenen Prinzipien in der tagespolitischen Auseinandersetzung gelegentlich untreu, so zeigen doch seine politisch-programmatischen Schriften - und von diesen kann hier nur die Rede sein -, daß er die Gewaltenteilung durchaus streng durchgeführt sehen wollte, denn "vours ver- rez en tout temps, en tous lieux, la Subversion totale de la liberte suivre imme- diatement la reunion des trois pouvoirs ." 91 Und der König ist nach Mirabeaus Konzeption hierbei zunächst nichts anderes als der "chef du pouvoir executif" 92 . Heines Rekurs auf Mirabeau erlaubt es demnach, sein Bekenntnis zum Monarchismus dahingehend zu präzisieren, daß er an der Spitze einer der drei Gewalten im Staate einen König stehen sehen wollte. Auch im Hinblick auf seine eigenen politischen Ideale dürften die von Heine erörterten Probleme des Konstitutionalismus für Fontane von Interesse gewesen sein, und vielleicht haben auch sie ihn zu weiterer Beschäftigung mit der Theorie der Royaldemokratie angeregt.
Während aber Kleist, Heine und auch Mirabeau selbst ihr Hauptaugenmerk auf die Umwandlung des von Höflingen beeinflußten absolutistischen Tyrannen zum gesetzestreuen Inhaber des Königsamtes als dem Leiter der Exekutive richten, demonstriert Fontane anhand seiner Figur des fanatischen Pseudo-Royalde- mokraten erstmalig die Gefahren, die in einer als 'Plateau mit Pic' imaginierten Gesellschaft nicht vom 'Pic', sondern vom 'Plateau' ausgehen können. Die Tyrannei des passionierten Untertanen, der ein soldatisch-homogenes Volks-'Pla- teau' an die Stelle einer differenzierten Gesellschaftsstruktur stellen will, reflektiert hierbei die aus der damaligen Tagespolitik bekannte Volksgemeinschaftsideologie, die als verzerrte und verkümmerte Schwundstufe des Mirabeauschen Konzeptes einer 'democratie royale' gelten kann. Die deutsche Geschichte hat dann gezeigt, daß Vogelsang, der diese Ideologie propagiert, weniger dem vereinsamt-griesgrämigen Kakadu der Treibeis ähnelt, mit dem ihn Mr. Nelson in seinem Gespräch mit Corinna vergleicht 93 , als vielmehr jenen - wie es in der vom Kommerzienrat gelesenen 'Nationalzeitung' heißt - “feierlichen Narren, deren Zahl leider größer ist, als man gewöhnlich annimmt.
Anmerkungen
1 Fontane, Theodor: Effi Briest. Roman. In: Th. F.: Romane und Erzählungen in drei Bänden. Hrsg.v. Helmuth Nürnberger. Bd. II. München u. Wien 1985. Hier: S. 671.
2 Fontane, Theodor: Frau Jenny Treibei oder 'Wo sich Herz zum Herzen find't'. Roman. In: Fontane, Romane und Erzählungen, a.a.O., S. 352.
3 Ebd., S. 264.
4 Ebd., S. 285.
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