Heft 
(1992) 53
Seite
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rung oder ironischer Humor, wenn er, journalistisch übertreibend, Waren mit fremden Federn schmückt. Von Storms Heimatstadt Husum entlehnt er die " graue Stadt am Meer".s Der Michigansee muß die Größe der Müritz aufbessern. Waren Hafen als Stapelplatz für die Produkte der Rittergüter wird neben Chikago ge­stellt, wo die Midlands ihre Erzeugnisse Umschlägen. "Sehen Sie die Dinge, je nachdem, durch ein Vergrößerungs- oder Verkleinerungsglas an, so ist wirklich eine große Ähnlichkeit da." Er schwärmt von Seebrise und Tannenduft und von der erstklassigen Verpflegung in Schubarts Hotel drüben in der Stadt. Und er beab­sichtigt, die Berliner Sommerfrischler "auf dies prächtige Stück Erde aufmerksam zu machen". Im nächsten Jahr kommt er aber doch nicht wieder, da geht er an den Tollensesee bei Neubrandenburg, wo er im "Augustabad" alles bequem beisam­men hat: schönes Wohnen, Blick auf den See, Betreuung im sanatoriumsähnli­chen Heim, Mahlzeiten im Hause. Sein Domizil in den Warener Tannen hatte ganz weit draußen gelegen, am Rande des meilenweiten Waldes. Für die kleinen Mahlzeiten war selbst zu sorgen, das Mittagessen mußte man sich durch einen halbstündigen Fußmarsch in die Stadt verdienen, "was bei Unwetter ein schlimm Ding wäre". Da draußen zu wohnen, auf der andern Seite der Binnenmüritz, wo es noch gar keine richtige Straße gab, mochte wirklich etwas "Exotisches" ge­habt haben. 5

Die Tannen waren ja als Sommerfrische noch gar nicht entdeckt. Gerade erst drei Häuser standen da draußen am Waldrand. 6 Als erster hatte der Berliner Bildhauer Friedrich Wilhelm Thomas sich 1894 am Hochufer der Müritz in den Wald hinein ein Haus bauen lassen - er wollte seine angegriffenen Nerven zur Ruhe bringen - "ein großes Sommerhaus mit prächtigem Garten" war es gewor­den. Ein Stück tiefer in den Wald hinein, auch am Hochufer, war die "Villa Meta" entstanden, ebenfalls von einem Berliner erbaut. Noch im gleichen oder im nächsten Jahr war auch ein Warener auf den Geschmack gekommen: es war der Senator Zwick, der die Baugenehmigungen zu unterschreiben hatte. Er bau­te sich ein bescheidenes Haus gleich dicht links neben die Villa Thomas, und dieses Haus stellte er 1896 dem Dichter Fontane für einige Urlaubswochen zur Verfügung. Mit den Nachbarn aus der "Villa Meta" scheinen Fontanes keinen Kontakt gehabt zu haben - er erwähnt sie in seinen Briefen nicht -, nur daß er sich ein bißchen über den Namen ärgerte: zu ähnlich war er seinem Metekind! Mit dem Bildhauer Thomas verkehrten sie freundschaftlich.

So schildert Theodor Fontane die Anfänge der Villenstraße:

An Karl Zöllner. Waren, Mecklenburg-Schwerin, 30. August 96. Villa Zwick. ...Die hohe Sanddüne, auf der wir wohnen..., führt den Namen Eck-Tannen und ist zur Zeit mit drei nebeneinander gelegenen Villen besetzt, von denen die mittlere den bedenkli­chen Namen Villa Zwick führt. Es hat uns aber noch nichts gezwickt... Die Villa links neben uns führt auf ihrem Giebel die weit in den See hineinleuchtende Inschrift: Villa Meta, was wir als Namensraub, jedenfalls aber als Ungehörigkeit auffassen. Die Villa rechts gehört dem Bildhauer Thomas, der sich, in einem kolossalen Tattrichzustande (er weinte immer), von Berlin aus hierher zurückgezogen hat. ...und nun sitzt er hier (er wohnt hier überhaupt) und sieht mitunter 3 Monate lang keinen Menschen außer dem Landbriefträger...

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