Buslinie in die Stadt wird es erst Ende der zwanziger Jahre geben. Das haben Fritschs nicht mehr erlebt. Das Grundstück ist gekauft. Nun beginnt ein intensives Bauen. "Es erschien" - auf dem Stadtbauamt - "der Maurermeister Gerber sen. und überreichte die ... Zeichnungen zu einem Anbau an der Villa Nr. 3 des Herrn Fritsch in den Großen Tannen sowie zum Neubau eines Wohn- und Stallgebäudes auf den Villenplätzen Nr. 1 und 2 dortselben." 15 Diese Eintragung ist vom 26. Februar 1900 datiert. Der Architekt Fritsch will also zugleich zwei - nein, sogar drei Bauten verwirklichen: einen Anbau mit Balkon an die Villa Thomas - noch heute deutlich zu erkennen, wenn auch durch spätere Umbauten weiter verändert -, dann die "kleine" Villa auf dem Grundstück 2, die heute die Nummer 6 trägt, und das Stallgebäude, heute Nr. 4. Das Grundstück Nr. 1 bleibt unbebaut, bleibt Wald, Kiefernwald, und ist es noch heute - nur daß die "Turnhalle" jetzt darin steht, heute Nr. 2. 16
Ob Mete in diesem Jahr schon ihre Sommerfrische auf dem eigenen Besitz verlebte? Hübsch ist die Villa 2 geworden! Dunkles Fachwerk und rote Ziegel, Giebel nach allen Seiten, sich kreuzende Dächer und Dachfirste - ganz wie man sich um die Jahrhundertwende eine "Villa" dachte. Doch stellt sich bald heraus, daß man zu klein gebaut hat. Für das riesige Grundstück braucht man unbedingt einen Gärtner, einen, der auch dort wohnt und im Winter, wenn man sich nach Berlin zurückzieht, verantwortlich ist. Die Villa, eben im Rohbau fertig, muß erweitert werden. Am 4. Juli 1900 wird dem Stadtbauamt der "Entwurf zum Anbau einer Gärtnerwohnung an das von mir auf dem Grundstück Villenstraße 2 errichtete Gebäude" vorgelegt. "Wie das letztere soll auch der Anbau aus Holzfach werk und Ziegelausmauerung ausgeführt werden." So geht der Sommer noch mit Bauen hin.
Nach dem Berliner Winter ist der Bauherr schon im März wieder in Waren. Der Architekt hat noch weitere Pläne. Der an die Villa Thomas angefügte Anbau - in den Bauakten meist "Nebengebäude" genannt - soll noch erweitert und aufgestockt werden. Die Erweiterung soll "nach dem Nachbar zu massiv aus Ziegelsteinen, der übrige Teil von Ziegelfachwerk erbaut" werden, "zwei Etagen hoch und unterkellert, die Halle nur eine Etage". 17 Es entsteht also der eigenartige turmähnliche Aufbau, der das Haus überragt. Er ist nur auf einigen alten Fotos zu sehen - irgendwann muß er wieder abgerissen worden sein. Dieser Bau wird am 11. März 1901 genehmigt und am 27. April bereits im Rohbau abgenommen. Auch der Stall muß sich eine Änderung gefallen lassen: Ein Schornstein wird angelegt, und ein Aufbau, ebenfalls aus Ziegelfachwerk, "soll als Taubenschlag benutzt werden". Die Bauzeichnung weist eine Außentreppe aus, die es heute nicht mehr gibt. Im Jahr 1905 wird als letztes Bauvorhaben ein Gewächshaus errichtet, aus Warmhaus, Kalthaus und Arbeitsraum bestehend. Verfallene Reste zeigen noch seine Lage. Und dann gab es - durch Bauakten nicht zu belegen, aber als Ruine und auf Fotos zu sehen - einen Eiskeller. Der lag so hübsch am Hochufer, daß es lohnte, darauf einen Pavillon als Aussichtsplatz zu errichten: von dort hatte man den berühmten, auf vielen Ansichtskarten gezeigten Blick über die Müritz auf die Stadt Waren. 18
Der Hofstaat
Ein so großes Anwesen - und wohl auch der soziale Stand des Ehepaares Fritsch - erforderte so etwas wie einen kleinen Hofstaat. Im Frühjahr gab es daher immer einen großen Wirbel, wenn der Wohnsitz von Berlin nach Waren verlegt
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