Heft 
(1992) 53
Seite
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sehen, rumänischen und mazedonischen Fronten und direkt unter einer Anord­nung, daß im Januar die Bezugscheine für Grieß ungültig seien. Es heißt da in Nummer 23:

"Waren, 13. Januar. Heute nachmittag hat auf dem hiesigen Friedhof die Beerdigung der im Alter von 57 Jahren hier verstorbenen einzigen Toch­ter Theodor Fontanes, des Dichters der Mark, der verwitweten Frau Pro­fessor Martha Fritsch, stattgefunden. Jeder Leser der Familienbriefe des Dichters weiß, wie nahe die Heimgegangene seinem Herzen gestanden hat und wie er nicht bloß Familienangelegenheiten, sondern häufig auch künstlerische und literarische Fragen eingehend mit ihr zu erörtern pfleg­te. In der 'Perle des Müritzsees', wie der Dichter Fontane unsere Stadt in seinen Werken bezeichnete, in der er selbst und auch die nunmehr Ver­storbene so gern auf ihrem herrlichen Besitz am waldumrauschten Stran­de der Müritz verweilte, hat die Verblichene nunmehr an der Seite ihres Gatten, des im Spätsommer 1915 verschiedenen Berliner Architekten Pro­fessor Fritsch, ihre letzte Ruhestätte gefunden." 59

Eine Woche später bringen die Mecklenburger Nachrichten in ihrer Wochenend­beilage einen großangelegten Nachruf unter der Überschrift "Martha Fritsch- Fontane". Er steht auf den Seiten 16 und 17 unter einem sentimentalen Kaiser- Wilhelm-Kriegsgedicht. Sentimental gab man sich wohl gern in jener Zeit, ent­sprechend ist denn auch der Aufsatz von E. H. Dietzsch, einem Fontaneverehrer, geraten. Der Verfasser gedenkt der Gräber, die Theodor Fontanes Herzen teuer waren. Er beginnt:

"Nun ist auch sie von uns gegangen, des alten Fontane Lieblingskind. Still ist sie fortgegangen, so still und einsam, so bescheiden und demütig, wie sie durchs Leben schritt, weil eine Welt in ihr war, die fernab des Treibens und Getriebes des Werkeltages andere Wege suchte."

Später heißt es dann: "Nun öffnet sich wieder in schneebedecktem Land ein stilles einsames Grab... Fernab seines Grabes legen sie sein Kind, sein Lieblings­kind, zur ewigen Ruhe..." Zum Schluß zitiert Dietzsch aus einem Gedicht Theo­dor Fontanes Verse, in denen der Vater des frühverstorbenen Sohnes George gedenkt und die wohl auch für Mete gelten könnten:

Das Leben, war dir's wenig, war dir's viel?

Ich weiß das Eine nur, du bist am Ziel.60

Kontroverse um Metes Tod - ihr schwerer Kampf mit dem Leben

Martha Fritsch starb und wurde begraben. Danach war es fünfzig Jahre still um die Fontanetochter. Dann wurde die Frage aufgeworfen: War es wirklich ein natürlicher Tod oder starb sie durch einen Unglücksfall? War es ein Freitod in tiefster Verzweiflung?

Hans-Heinrich Reuter hatte noch 1959, als er die Briefe des Dichters "Von Drei­ßig bis Achtzig" herausgab, ganz kurz über Fontanes Tochter berichtet: "Nach ihrer Verheiratung zog Mete Fontane später nach Waren; sie liegt dort begra­ben." 61 In seiner Fontanebiographie (1968) steht dann plötzlich der Satz: "Als gemütskranke Frau schied sie freiwillig aus dem Leben." 62 Wie kam Reuter zu dieser Aussage? Fünfzig Jahre nach ihrem Tod! Woher hatte er sein Wissen? Er

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