Heft 
(1992) 53
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sich gelegt haben, mag ihr unerträglich, ja unglaubwürdig gewesen sein. Rosen berichtet von einem Gespräch, das Gertrud Schacht mit Joachim Schobeß, dem damaligen Leiter des Fontane-Archivs, geführt hatte. Sie habe Schobeß gegen­über "vor einer Reihe von Jahren kategorisch erklärt, daß es sich niemals um einen Selbstmord gehandelt habe. Mete, von sehr starkem Herzasthma gepei­nigt, sei, nach Luft ringend, auf den Balkon der Villa in Waren gegangen, der anscheinend eine sehr niedrige Brüstung hatte, habe sich zu weit über das Ge­länder gebeugt, dabei das Gleichgewicht verloren und so infolgedessen in die Tiefe gestürzt."

Diese Kontroverse in der FAZ läßt Hans-Heinrich Reuter nicht ruhen. Er schreibt seinerseits eine Rezension der Mete-Briefausgabe und geht dabei auf Rosens Leserbrief ein. Er folgert aus Rosens Argumentation: Erstens - Rosen hat ge­wußt, daß es Selbstmord war; zweitens - er hat es verschwiegen, nein: unter­schlagen; drittens - die Rechtfertigungsversuche mit Intimsphäre und Histori­kerverantwortung sind unhaltbar, er ironisiert sie durch Anführungszeichen. Seine eigene Überzeugung ist: "Martha Fontane zerschmetterte sich am 10. Ja­nuar 1917 in Waren an der Müritz durch einen Sturz vom Balkon. Nach allem, was wir heute noch wissen können, lag Selbstmord vor..." 69

Spätere Autoren beziehen sich auf Reuter und Rosen. So formulieren Anita Golz und Gotthard Erler in den Fontane-Blättern 1982 vorsichtig: "Man nimmt an, daß sie Selbstmord beging." 70 Im gleichen Sinne schreibt Marianne Goch in der Insel-Anthologie "Töchter berühmter Männer". Nachdem sie Rosens Verdienst als Mete-Biograph gewürdigt hat, zitiert sie den "sanften Tod" der Mecklenbur­ger Nachrichten und setzt den Satz dagegen: "Rosen wußte es besser." Nach­dem sie Reuters "Korrektur" wörtlich gebracht hat, gibt sie jedoch zu: "Aber ihr Ende? Darüber können wir nur spekulieren." Und sie fragt: "Wurden die De­pressionen, die sie ihr ganzes Erdenleben hindurch gequält hatten, zu stark? Oder war der selbstgewählte Tod ein 'Bilanzselbstmord', ein bewußtes Abschlie­ßen?" 71 Der Leiter des Potsdamer Fontane-Archivs stellt dazu fest, "daß es ein­deutige Beweise für oder gegen Metes Freitod bis jetzt nicht gibt". 72

Vorerst soll ein Inserat in der Lokalpresse weiterhelfen: "Welcher alte Warener weiß noch etwas über Martha Fritsch-Fontanes Jahre in Waren?"

Das Telefon läutet: "Meine Frau ist ein Patenkind von Martha Fontane!"

Ich besuche Metes Patenkind. Es ist Frau Marlies Boye geborene Reiche, die Gärtnerstochter. Frau Boye ist verlegen: "Viel kann ich Ihnen aber auch nicht sagen, ich war ja noch so klein! Ich bin 1914 getauft! Eigene Erinnerungen an meine Patentante habe ich gar nicht. Ich war ja erst zwei Jahre alt, als sie starb. Sie hat sich ja aus dem Fenster gestürzt." - Da ist es nun gesagt, von einer, die fast Zeitzeugin war! Sie wisse das von ihrer Mutter, der Vater sei ja im Krieg gewesen. - Nein, einzelnes habe die Mutter nicht erzählt, auch nicht, welches Fenster es war. - Balkon? Das wisse sie nicht. - Warum sie es getan habe? Die Mutter habe immer nur gut von ihr gesprochen; sie sei wohl schwermütig gewe­sen. Frau Boye erzählt dann noch von dem weitläufigen Spielgelände ihrer Kind-

* Vgl. Anm. 67

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