Heft 
(1992) 53
Seite
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Slavica Zura, Zadar

Mit Fontane sind wir um einen Freund reicher in dieser Welt...

Das Gedicht ist ein Haus, in dem das Herz und die Seele des Dichters wohnen. Nicht jedes Ohr kann die feinen Impulse vernehmen. Nicht jedes Auge kann die Schönheit des Gebäudes umfassen. Die reich verzierte Fassade kann manchen irren. Fontanes Gedichte sind keine Porzellanfiguren, mit denen vorsichtig um­zugehen ist und keine zarten und exotischen Pflanzen, die nicht gedeihen wol­len. Fontanes Gedichte sind wahre Stütze und ein anzustrebendes Ziel. Sie füh­ren uns in eine kleine von dem Autor gebaute Welt, in der wir neue Energie und Lebensfreude schöpfen können. Wärme und Nächstenliebe, innere Ruhe und Ausgeglichenheit und vor allem Beständigkeit sind bei der Lektüre fontanescher Gedichte zu spüren. Die Spontaneität und Aufgeschlossenheit seiner Verse lok- ken einen zur Freundschaft. Man wird ein gehorsames und aufmerksam zuhö­rendes Kind. Man wird erzogen. Man wächst auf. So autoritativ sind Fontanes Worte, aber gleichzeitig mild und taktvoll. Nichts will er uns aufdrängen. Das Mitgeteilte wird automatisch als das Wahre und einzig Richtige wahrgenom­men.

Viele Dichter beschreiben die Natur mit verschiedensten und ausgelesensten Worten und bleiben von dieser Natur weit entfernt. Theodor Fontane wendet sich an die Herbsttage, als seien sie seine Brüder, seine Kinder oder seine Gelieb­te:

... Ihr schönen Herbstestage,

Ihr klaren, wie grüß ich euch!...

Der Leser wird angeregt, den Herbst anders zu betrachten, denn diese Jahreszeit ist "durchsichtig". Man "blickt in Gottes Welt hinein". Die Herbsttage vergleicht Fontane mit dem "Auge treuer Fraun", deren Seele man schauen kann.

Fontane lehrt uns, mit dem Leben zufrieden zu sein, wobei seine Worte als Worte unserer Väter klingen:

Es hilft uns kein Gedeutel,

So nimm es, wie es fällt,

Der eine hat den Beutel,

Der andre hat das Geld. ...

Die Prägnanz des Todes ist etwas Selbstverständliches. Das ist des Lebens zwei­tes Gesicht, und das Leben beschert uns nicht nur Freude, Kinder und tägliches Brot:

...Doch das Beste, was es sendet,

Ist das Wissen, daß es endet,

Ist der Ausgang, ist der Tod.

Großes Glück ist in kleinen Dingen, und sie sind überall zu finden. Fontane gibt uns Rat:

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