bleibt - so möchte man fast formulieren - Woldemar in demselben Kapitel gar nichts anderes übrig, als sich nicht mit Melusine, sondern mit Armgard zu verloben...
Eines ist immerhin gewiß: Wer nicht - wie Fontane - das Medium des Briefes schätzt, läuft Gefahr, sich selbst aus derjenigen Gesellschaft auszuschließen, auf die es Fontane ankommt. Jedenfalls stimmt das Ende des Romans - zumindest in unserem Kontext - nachdenklich: Der alte Stechlin stirbt, und Graf Barby und Melusine überlegen, „ob es nicht, trotz Armgards gegenteiliger Vorwegversicherung, vielleicht doch noch möglich sein würde, das junge Paar irgendwo telegraphisch zu erreichen; aber es ging nicht, man mußte es aufgeben". 47 Wem gilt diese Ironie hinsichtlich eines Mediums, das der Zeit - angeblich - 'vorauseilt'? Sicher ist jedenfalls: Melusines „Brief mit der Todesanzeige des Alten" erreicht das Hochzeitspaar erst in Capri: „der Begräbnistag lag zurück Z' 48
2.2. Effi Briest
Doch nun noch einmal zu Fontane und Bismarck. Es fällt auf, daß Fontane gerne Bücher über Bismarck liest und auch gern von seiner Lektüre berichtet. So heißt es z.B. in Von Zwanzig bis Dreißig im Tunnel-Teil:
In dem reizenden Buche: „Bismarck und seine Leute" (von Moritz Busch 1878 publiziert; W. W.) kommt eine Stelle vor, wo Bismarck in Versailles auf offener Straße dem Geheimrat Abeken eine Depesche diktiert. 49
Das Thema „Fontane und Bismarck" läßt sich jedoch - wie bekannt - am besten diskutieren am Beispiel von Effi Briest. Dabei gehe ich von der These aus, dieser Roman Fontanes sei die Geschichte vom Kampf des - als inhuman gezeichneten - Bismarck-Systems gegen eine Frau, die als „Naturkind" imaginiert wird, aber selbst dem System verfallen ist. 50
Bismarcks System erscheint im Roman personifiziert in der Gestalt Innstettens. Und damit kann man fast schon a priori sagen, daß Innstetten kein großer Briefschreiber sein kann; nicht etwa deswegen, weil Bismarck keiner gewesen wäre - ganz im Gegenteil: Fontane hat den Briefschreiber Bismarck sehr geschätzt und zitiert gern einen „unserer gefeiertsten Novellisten, der, nach Erscheinen des 'Bismarck-Buches' (von Hesekiel; W.W.), bei Lesung der zahlreich eingestreuten Bismarckschen Briefe in die Worte ausbrach: 'Ein Glück für uns, daß er nicht Schriftsteller geworden isf.'" 51 . Nein: Es geht - wie Rolf Parr gezeigt hat - nicht um den historischen Bismarck, sondern um die über seine Figur mögliche symbolische Inszenierung 52 eines inhumanen Systems.
Während sich Effi in Hohen-Cremmen mit ihrer Mutter um die Aussteuer kümmert, bringt Wilke Briefe: „Der eine war aus Kessin von Innstetten. 'Ach, von Geert', sagte Effi,” und steckte den Brief beiseite, um sich weiter mit ihrer Mutter zu unterhalten, die schließlich mahnt: