irgendein Freikorps eintreten...". Fragen wir also nach den politischen und gesellschaftspolitischen Vorstellungen der beiden nach 1850!
Unterschiede zwischen ihnen werden schon in den ersten Briefen sichtbar, die sie 1853 miteinander wechselten. Storm hatte offenbar ganz bestimmte Vorbehalte gegen die - wie er es nennt - „Berliner Luft". Fontane gibt freimütig die „anfangs ungenießbare" „Unverschämtheit" der Berliner zu, meint aber, daß die „Schärfe," „die seit den Tagen des alten Fritz hier in der Luft zu liegen scheint", „in gehöriger Verdünnung... ihren Reiz" habe und zur „Quelle... (des) Vergnügens und herzlichen Gelächters" werde (19.3.1853). 5 Storm geht in seinem Antwortbrief (27.3. 1853) bezeichnenderweise auf den Berliner Humor, wie Fontane ihn in seinem Brief charakterisiert, gar nicht ein, sondern bemängelt etwas anderes:
„... in der berliner Luft (ist) etwas, was meinem Wesen widersteht, und was ich auch bis zu einem gewissen Grade zu erkennen glaube. Es ist, meine ich, das, daß auch in den gebildeten Kreisen man den Schwerpunkt nicht in die Persönlichkeit, sondern in Rang, Titel, Orden und dergleichen Nipps legt, für deren auch nur verhältnismäßige Würdigung mir, wie wohl den meisten meiner Landsleute, jedes Organ abgeht".
Storm kritisiert hier die gesellschaftlichen Zwänge in der preußischen Hauptstadt aus der Sicht eines Schleswig-Holsteiners, der in den Herzogtümern ein vom „Rangklassenbewußtsein" 6 verhältnismäßig wenig gekennzeichnetes gesellschaftliches Leben gewohnt war, das in diesem Punkte der ganz „unpreußischen" Mentalität der benachbarten Dänen näherstand.
Fontane konnte und wollte so scharfe Kritik an der Berliner Gesellschaft nicht unerwidert lassen. Er antwortete - hier ganz und gar überzeugter Preuße - folgendermaßen (2.5.1853):
„Es giebt nirgends in der Welt, auch in Frankreich nicht, so wenig 'exklusive Gesellschaft’ wie hier bei uns. Geburt, Reichtum, Rang, Talent und Wissen vertragen sich hier in wunderbarer Weise und Graf Arnim mit einem halben Fürstentum hinter sich, verkehrt mit dem Lokomotivenbauer Borsig oder mit Professor Dove völlig ebenso wie mit seines Gleichen."
Aus der Sicht des Schleswig-Holsteiners jedoch gab es in Preußen größere Standesschranken, als Fontane wahrhaben will. So stellt Storm denn auch in seinem Antwortbrief (vom 5. Juni) die provokative Frage:
»Fragen Sie Ihren Grafen Arnim doch einmal, ob er dem Prof. Dove oder dem Maschinenbauer Borsig auch seine Tochter zur Ehe geben wolle!"
Tatsächlich vertritt Storm, was die Egalité-Forderung der Französischen Revo- ution angeht, eine viel radikalere Position als Fontane. Schon 1848 in der Skiz- ze Im Saal wird diese deutlich. Die Frage, ob auch die Nicht-Adeligen, die Bür- g er , mitregieren sollten, wird dort kurz und bündig mit „Ja" beantwortet. Und auf Nachfrage, was denn aus dem Adel werden solle, wird ebenso klar erwidert: „Streichen... oder wir werden alle Freiherren, ganz Deutschland mit Mann und Maus " (LL I, S. 29; vgl. Anm. 6). 49