Heft 
(1992) 54
Seite
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Ähnliche politische Dissonanzen zwischen Storm und Fontane werden sicht­bar, als es um die Veröffentlichung desEpilogs" geht, mit dem Storm das Manuskript seiner Novelle Ein grünes Blatt abschließt. Das Gedicht beginnt mit einer - von Storm gegenüber der ursprünglichen Fassung schon abgemilderten - Strophe, die auf dieSchmach und Schuld" der preußischen Politiker ver­weist, die die schleswig-holsteinische Freiheitsbewegung im Stich gelassen haben. Die erste Strophe des Epilogs lautet: 7

Ich hab es mir zum Trost ersonnen,

In dieser Zeit von Schmach und Schuld,

In dieser schweren Noth der Zeiten,

In diesen Zeiten der Geduld.

In den folgenden Strophen ist dann - in Anspielung auf eine zukünftige revolu­tionäre Wende - von einemletzten Donnerschlag" und einemwirklichen Frühling" (d.h. politischen Frühling) die Rede. Fontane und seine Mitredakteure lehnten die Veröffentlichung dieses Gedichts in ihrer ZeitschriftArgo" ab, weil es - so Fontane an Storm (11.4.1853) -für Geheime Regierungsräthe, Schulräthe und ähnliche Leute... allzu klar geschrieben" sei, und er meinte in demselben Brief:

alle stimmten darin überein, daß wir es in unseren resp(ektiven) Stellungen nicht riskieren könnten, die Aeußerungen solchen Grimms und solcher Hoffnun­gen mit auf unsere Kappe zu nehmen..., was nach der einigen unteilbaren deut­schen Republik schmeckt, könnte uns 'Beamteten' doch sehr verübelt werden."

Hier werden die politischen Dissonanzen zwischen Storm und Fontane ganz deutlich. Hier fehlt - wie Storm es in seinem Gedicht Für meine Söhne ausge­drückt hat -die goldene Rücksichtslosigkeit".

Tatsächlich ist das Gedicht Für meine Söhne offenbar aus der Diskussion mit Fontane und aus der Opposition gegen die preußische Gesellschaft, wie sie der Schleswig-Holsteiner Storm 1853/54 in Berlin und Potsdam erlebte, entstanden.

Für meine Söhne

Hehle nimmer mit der Wahrheit!

Bringt sie Leid, nicht bringt sie Reue;

Doch, weil Wahrheit eine Perle,

Wirf sie auch nicht vor die Säue.

Blüte edelsten Gemütes Ist die Rücksicht; doch zu Zeiten Sind erfrischend wie Gewitter Goldne Rücksichtslosigkeiten.

Wackrer heimatlicher Grobheit Setze deine Stirn entgegen;

Artigen Leutseligkeiten

Gehe schweigend aus den Wegen.

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