Wo zum Weib du nicht die Tochter Wagen würdest zu begehren, halte dich zu wert, um gastlich In dem Hause zu verkehren.
Was du immer kannst, zu werden,
Arbeit scheue nicht und Wachen,
Aber hüte deine Seele Vor dem Karriere-Machen.
Wenn der Pöbel aller Sorte Tanzet um die goldnen Kälber,
Halte fest: du hast vom Leben Doch am Ende nur dich selber.
(LL I, S. 66 f.)
Storm hat - wie Fontane später in Von Zwanzig bis Dreißig berichtet (Storm- Kapitel, S. 199 f.) 8 - aus seiner „Abneigung gegen Preußen", auch im Disput mit seinem Freund Fontane, kein Hehl gemacht:
„Er (Storm)... zog es vor”, erinnert sich Fontane, „... den politischen Ankläger zu machen. Mit seiner kleinen, feinen Stimme ließ er sich über das Inferiore preußischen Wesens ganz unbefangen aus... Ich habe zahlreiche Gespräche mit ihm über dies diffizile Thema gehabt..."
Fontane hat die im Gedicht Für meine Söhne verdeckt, in den Briefen Storms und in den mündlichen Diskussionen mit ihm aber sehr deutlich zutage tretende Kritik Storms an der preußischen Gesellschaft nicht unwidersprochen gelassen. Für ihn war (ich zitiere aus Fontanes Storm-Kapitel, S. 200) „diese ewige Verkleinerung Preußens (durch Storm) eine ganz unerträgliche Anmaßung und Überheblichkeit”. Fontane weiter:
„Vieles in 'Berlin und Potsdam' war immer sehr ledern und ist es noch; wenn's aber zum Letzten und Eigentlichsten kommt, was ist dann... die ganze schleswig-holsteinische Geschichte neben der Geschichte des Alten Fritzen! Allen möglichen Balladenrespekt vor König Erich und Herzog Abel, vor Bornhöved und Hemmingstedt; aber neben Hochkirch und Kunersdorf geht doch dieser ganze Kleinkram in die Luft."
Fontane und Storm - das wird hier deutlich - urteilen aus ganz verschiedenen Perspektiven, und von daher erklären sich ihre Meinungsverschiedenheiten. Storm richtet seinen Blick mehr auf die inneren Zustände des Staates, auf Stan- desgrenzen und Standesdünkel, auf das soziale Miteinander der Menschen, oder um es noch einmal mit Worten aus dem Gedicht Für meine Söhne zu sagen - auf die „artigen Leutseligkeiten" und das „Karriere-Machen". Mit deutlicher Anspielung auf eine Strophe dieses Gedichts fordert er in einem der ersten Bri efe an Fontane (27.3.1853) vom „Berliner Wesen" „'die goldne Rücksichtslosigkeit', die allein den Menschen innerlich frei macht", und statt „Geschmacks- bildung", mit der „ein bequemes Leben ungestört bestehen kann , rückt er die
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