Heft 
(1992) 54
Seite
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hen wird, ist, daß dieses Arrangement sich auch auf das in Fontanes Berichten vertretene Urteil auswirken mußte.

Während der Arbeit für die Zentralstelle ist Fontane, so Charlotte Jolles, ...auch in stärkerem Maße mit Korrespondenzen für kleinere von der Central­stelle zu unterstützende Zeitungen beschäftigt..." gewesen. In diesen Artikeln wurde... als der allein richtige konservative Standpunkt (...) der der preußi­schen Regierung vertreten...", Fontane habe sich darin nur als 'Instrument der Regierung' gezeigt. 5

Es ist nicht einzusehen, weshalb Fontane in Berlin als ein solches 'Instrument' gewirkt, in England hingegen nicht Meinungsmache für die preußische Reaktion betrieben haben sollte. Fontane war eben nicht mehr frei, das zu schreiben, was er wollte, denn sein Abhängigkeitsverhältnis zur Zentralstelle bestand weiter. 6 Fontanes Englandkorrespondenzen dienten sowohl 1852 als auch während der Englandjahre 1855-59 7 vorrangig einem ganz bestimmten Zweck: im eigenen Lande das preußische Ansehen auf- und das englische abzuwerten. Man wollte auf diese Weise den gegen die preußische Reaktion gerichteten Artikeln Lothar Buchers oder derEnglischen Correspondenz" Max Schlesingers etwas entge­gensetzen. 8

Diese verordneteSchere im Kopf" läßt sich sehr gut an zwei Kapiteln von Ein Sommer in London nachweisen, die vor der Veröffentlichung im Buch als Zei­tungsberichte publiziert worden waren. 9 Sie sind in einem weiteren Punkt für Fontanes Arbeitsweise charakteristisch: der Ausländskorrespondent hat den Stoff für seine Artikel oft nicht selbst recherchiert, sondern englischen Zeitun­gen entnommen, in diesem Falle der "Times". 10

Beide Artikel, Das Goldne Kalb und Smithfield , 11 kann man in ihrem Informat onsgehalt (aber nur in diesem!) als 'Übersetzungen' bezeichnen. Bei den Berichten handelt es sich laut Helmuth Nürnberger um jene Kapitel von Ein Stommer in London,... die bisher als besonders bezeichnend für Fontanes Eng­land-Bild und seinen damaligen Prosastil galten." 12 Diese Ansicht habe sich erst geändert, als entdeckt worden sei, daß Fontane nur aus einer englischen Zeitung übersetzt habe.

Der von den Kommentatoren des Bandes 17 der NFA für diese Arbeiten gewählte Terminus 'wörtliche Übersetzung' suggeriert jedoch, daß Fontane die englischen Artikel mit deutschen Worten wiedergegeben und deren Sinn nicht geändert habe. Das ist nicht der Fall, wie eine genauere Betrachtung der Times"-Artikel zeigt. 13 Fontane hat diese zwar als Quellen benutzt, aber sehr frei übersetzt, Passagen völlig ausgelassen oder gerafft, eigene Kommentare hinzugefügt und in beiden Fällen die Aussage der Berichte entscheidend ver­ändert. Mit der Bezeichnung 'Übertragung' oder 'Bearbeitung' hätten die NFA- Kommentatoren den Charakter der Arbeiten besser erfaßt.

Von dem Artikel Railway Novels 14 hat Fontane etwa die Hälfte des Inhalts berücksichtigt, den er manchmal Satz für Satz, manchmal nur gerafft wiederge­geben hat. Das Original bespricht und kommentiert zwei 1849 erschienene Bücher 15 , die in Fontanes Artikel nicht erwähnt werden. Die durchgängig im Original vertretene Meinung ist folgende. Neureiche und Spekulanten, die nur dem Geld nachjagen, gebe es in jeder Gesellschaft (es werden mehrere Beispiele genannt). Sie entlarvten sich aber selbst durch ihre kulturelle Primitivität, daher 76