Heft 
(1992) 54
Seite
77
Einzelbild herunterladen

könnten sie den wahren Führern der Gesellschaft, den Adeligen, ihre Superio- rität nur bedingt streitig machen. In England gebe es auch genug Menschen, die nicht nur an das Geldverdienen denken und die Überlegenheit der adeligen Oberschicht nicht in Frage stellen würden. Ihrem Beispiel sei nachzueifern. Fontane hingegen hebt ausschließlich den im Original nur unter anderem vor­handenen Aspekt der englischen Geldgierigkeit hervor. Auf diese Weise wird die ursprünglich abwägende Aussage geändert, indem die lautTimes" in vie­len Ländern vorhandenen Spekulanten als typische Vertreter der englischen Nation hingestellt werden . 16 Das im Original geforderte Akzeptieren einer (positiv aufgefaßten) gesellschaftlichen Kluft wird in der Bearbeitung in eine scharfe Kritik der sozialen Gegensätze umbewertet . 17 Die Bearbeitung ändert außerdem den ursprünglichen Aufbau, indem sie die kritischen Elemente des Originals sammelt und zu einem Höhepunkt verdichtet. Im Schlußteil des Fon­tane-Berichts stehen Sätze aus dem fünften Abschnitt des Originals. Nur in sei­nen letzten fünf Zeilen folgt der preußische Korrespondent dem Ende des Times"-Artikels, um die Geschichte vom 'goldnen Kalb' auf passende Weise ausklingen zu lassen.

Smithfield ist eine Übertragung desTimes"-Berichtes Lord Nelson and Lady Hamilton. Wieder bezieht sich das Original auf ein soeben erschienenes Buch, das in Fontanes Bearbeitung abermals nicht erwähnt wird. Die Geschichte der Beziehung Lord Nelsons zu Lady Hamilton wird in der "Times" knapp wieder­gegeben, damit den Inhalt des besprochenen Buches zusammenfassend und kommentierend.

Die 'Lady' entstammte der untersten gesellschaftlichen Schicht und war Mätresse verschiedener Adeliger, bevor sie Admiral Nelson kennenlernte. Sie half durch diplomatische Bemühungen in zwei Fällen, daß Lord Nelsons Flotte wichtige Schlachten gegen die Schiffe Frankreichs gewinnen konnte. Nach Nelsons Tod starb sie in Armut, weil sie der Bruder des Admirals um ihr Erbe betrog. DerTimes"-Journalist läßt keinen Zweifel aufkommen, was er über die Beziehung des englischen Seehelden zu der als moralisch fragwürdig ein­geschätzten Lady Hamilton denkt. Er unterstreicht in seinen Kommentaren vor allem, daß Lady Hamiltons Schicksal durch ihren Lebenswandel vorgezeichnet und verdient gewesen sei:Fit ending to the poor nursery maid's history!" heißt es beispielsweise zum Schluß des Artikels . 18 Fontane gewichtet anders. Seine Bearbeitung stellt heraus, daß Lady Hamilton alles für das englische Volk gegeben habe und dafür von ihrem Land betrogen worden sei:England hat ihr diese Liebe und diese Dienste schlecht gelohnt... " 19

Wie gegensätzlich Original und Bearbeitung sind, zeigt ein Vergleich der Wer­tungen, mit denen Lady Hamilton bedacht wird. ImTimes"-Artikel wird sie ,,... the blotted page of Nelsons's history ..." 20 genannt.The trash of a circula- ting library was not the only poison that crept into her soul", heißt es weiter. Das Wort 'shame' (Schande") wird für sie gebraucht. Sie wird als schöne, skrupellose Sirene dargestellt. Der untadelige Lord Nelson sei... the peri- le of that seductive presence..." (Der Gefahr ihrer verführerischen Gegen­wart") ausgesetzt gewesen. Betont werden auch die hervorragenden Charak­tereigenschaften des Lords, dessen Beziehung zu Lady Hamilton ein... falling into crime..." (Verbrechen") gewesen sei. Für das Vergehen von Lord Nelsons

77