Heft 
(1992) 54
Seite
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Bruder, der Lady Hamilton um ihr Erbe betrog, bittet das Original um Ver­ständnis: on behalf of humanity we ask pardon for the treachery of the man

who kept back the codicil." 21

Fontane hingegen spricht von dem opferbereiten Patriotismus der Lady. Er unterschlägt die im Original hervorgehobene Tatsache, daß sie drei uneheliche Kinder mit einem ihrer Liebhaber hatte, und vertritt die Ansicht:Man mag die Fehler Lady Hamiltons und ihre sittliche Führung verurtei­len, es unterliegt auf der andern Seite keinem Zweifel, daß England ihrem Patriotis­mus große und unvergleichliche Dienste verdankt. " 22

Im Artikel derTimes" hatte es noch so geklungen: but, had Lady Hamilton

been the most degraded of her kind, England was bound not to forget this great and unparalleled Service." 23 Insgesamt wird der negative Charakter der Lady eindeutig in den Vordergrund gestellt; daß man ihre Verdienste nicht ver­gessen will, ist nicht viel mehr als eine Randbemerkung, die die Fairneß erheischt. Fontane, der seine Vorlage nur teilweise übersetzte, hat diese und andere seine Argumentation schwächende Wertungen und Aussagen wegge­lassen oder im Sinn verändert.

Als Ergebnis dieses kurzen Vergleichs der Übertragungen mit den Originalen kann festgehalten werden, daß Fontanes Varianten nur ausgewählte Passagen und Einzelheiten wiedergeben, die der intendierten Gesamtaussage dienlich sind. Um welche Aussage es sich hierbei handelt, ist eindeutig erkennbar: In England sind alle Menschen geldgierig bzw. unfair gegen jene, die sich selbst­los für das Wohl des Volkes aufopfem. Hier ordnet sich Fontane ganz der Pro­paganda seines Ministeriums unter, die das Ziel hatte, das Ansehen des preußi­schen Absolutismus im Vergleich zum Gelobten Land der Freiheit und des politischen Pluralismus aufzuwerten. Der britische Materialismus sollte von den deutschen Lesern als Kehrseite der englischen Freiheitsmedaille verstan­den werden. 24

Diese in Ein Sommer in London, das ja zu großen Teilen aus vorher veröffentlich­ten Artikeln besteht, häufiger vorkommende Kritik spiegelt aber nicht Fonta­nes Privatmeinung wider. Ihm war es in erster Linie darum zu tun, seine Posi­tion im Ministerium zu halten. Die 1852 aus England geschriebenen Briefe an Freunde und Familie zeigen eine durchaus positive Einschätzung der engli­schen Art und Weise, Geld zu erwerben:... wenn denn doch das money-making in Angriff genommen werden soll, so ist mir das hiesige kaufende Publikum, das selbst einem miserablen teacher gegenüber immer noch nach Pfunden rechnet, doch um eini­ge Prozent lieber..." als die Leute zu Hause in Berlin, schreibt Fontane beispiels­weise Mitte Mai 1852 an Bernhard von Lepel. 25 Erst, als Fontanes money- making- Pläne scheitern, verbittert er und beginnt, die vorher nur nach außen vertretene Kritik am englischen Gelderwerb teilweise zu seiner eigenen Meinung zu machen.

Fontanes persönliche Vorliebe:

Englisch-schottische Poesie und Geschichte

Was hat Fontane an England und Schottland wirklich interessiert? Wie bereits gezeigt, sind viele seiner Korrespondenzen aus politischen Gründen geschrie- 78